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Traumerfüllung: Neubau des Essener Museum Folkwang erföffnet

Dem langjährigen Besucher des Essener Museum Folkwang, selbst einer jahrzehntelangen Angehörigen des Hauses wie der Fotografie-Expertin Ute Eskildsen, kommt der Satz mit faszinierter Selbstverständlichkeit über die Lippen: „Als wär’s nie anders gewesen!“. Sie blickt dabei durch ein weitläufiges treppenloses, überwiegend verglastes Raumensemble, getragen von Stahlträgern, für den Blick rhythmisiert durch in diesen Tagen weiß verschneite Innenhöfe, spärlich bepflanzt mit einzelnen Bäumen. Durch die optische Filterung der Glasscheiben glaubt man Bilder von Mark Rothko oder Ernst Wilhelm Nay zu erkennen. Dazu das lichte Wandgrau und das Milchglas-Mischlicht der Decken, wobei das regulierbare Tageslicht offensichtlicher Favorit beim Erleben der Kunst im Museum Folkwang bleibt. Adelt dieser Eindruck des Nie-anders-Gewesenen einen Neubau? Eindeutig „Ja“, dies auch angesichts der in der Regel nicht gerade wenig selbstverliebten Museumsarchitektur. Denn tatsächlich vollzogen wurde immerhin die massive Erweiterung bestehender Bausubstanz von 1960, die zudem eines der bedeutendsten Kunsthäuser der Republik logistisch „gedreht“ hat. Nun nämlich öffnet man sich zur stark befahrenen Bismarckstraße – aber auch deutlich für die Menschen einer ganzen Stadt. Dennoch bleibt alles zurückhaltend, orientierungsfreundlich und transparent. Dabei geht es ja eben unter dem Stichwort „Erweiterung“ nicht etwa um eine technoide, begehbare Kuppel auf gründerzeitlicher Architektur ( wie durch Norman Foster beim Berliner Reichstag geschehen). Vielmehr soll hier auch kulturell Flagge gezeigt werden im Ruhrgebiet und Bestehendes ist zu integrieren: Dieser erst im April wieder zugängliche, ergo angedockte Altbau von 1960 wird die Klassische Moderne mit Van Gogh, Cezanne, Gauguin, Monet .... bergen. Erst mit Frühlingserwachen ist also das Essener Museum Folkwang wieder komplett zu erleben, das quasi als Karl Ernst Osthaus-Museum am Beginn des 20.Jahrhundert in Hagen „geboren“ wurde durch das Kunstengagement eines Unternehmers. In den Zwanzigern wurde der moderne Kunstschatz von den Osthaus-Erben nach Essen verkauft, parallel zur Gründung des Museum Folkwang (1922). Unter dem Ausstellungsmotto „Das schönste Museum der Welt“ wird ab 20. März vor allem versucht, wieder jene Kunst in Essen zusammen zu führen, die durch den Entartungs-Wahn der Nazis in alle Welt zerstreut, insofern nicht zerstört wurde. Am 30.Januar ist zumindest der erste Publikumstag für den Neubau, der das Museum auf insgesamt 23 000 Quadtratmeter Nutzfläche ausdehnt, davon fast 7000 Quadratmeter für die Kunst – enthalten 1400 m² für Wechselausstellungen und das integrierte Deutsche Plakatmuseum. Zu sehen ist derzeit Zeitgenössisches und die Kunst nach 1945 aus der ständigen Sammlung. Ein besonnener architektonischer Kopf war für ein solch klares Ergebnis vonnöten. Und der 1953 geborene David Chipperfield, Schüler von Norman Foster und geistiger Verwandter Tadao Andos, führt hier gleichsam die esoterische Strenge einer japanischen Teezeremonie, die in den Atrien neben den wie Haikus wirkenden vereinzelten Bäumen stattfinden könnte, mit der konstruktiven Strenge des Bauhauses und der industriellen Ruhrgebietsregion zusammen. Chipperfield hatte sich in Deutschland mit seinen integrierenden Aktivitäten auf der Berliner Museumsinsel und etwa bei der Gestaltung des Marbacher Literaturmuseums (Stirling Preis 2007) empfohlen. Anders als etwa beim Weihehallen-Quadratismus des Kölner Wallraf-Richartz-Museums (Oswald Mathias Ungers) , ist dieses kunstdienliche Konzept eben kein ästhetisiertes Konkurrenz-Unternehmen und dabei in nur 23 Monaten realisiert worden. Der Bereich des ehemaligen Ruhrlandmuseums, das jetzt im Kulturzentrum Zeche Zollverein aufgegangen ist als „Ruhrmuseum“, wurde komplett abgerissen. 2006 hatte der inzwischen 97-jährige Berthold Beitz, ehemals (seit den Fünfzigern) Herr der Essener Krupp-Ringe und seit langem Kuratoriums-Vorsitzender der gemeinnützigen Krupp-Stiftung „einstimmig“ 55 Mio. Euro spendiert für den Neubau: das bislang größte Einzelprojekt der Stiftung – wiederum initiiert durch das Kunstengagement eines Unternehmers . Bereits in den fünfziger Jahren hatte Beitz ansatzweise den Traum von einem neuen Museum Folkwang versucht, damals sogar noch direkt im Kontakt mit Mies van der Rohe. Dieser Neubau-Traum hat sich jetzt erfüllt. Bei allem Blick für Klarheit und Übersichtlichkeit, für die angestrebte Brücken-Funktion seiner Architektur zwischen der Kunst und der Stadt, weiß der zurückhaltende Chipperfield zu überraschen: „Es geht hier auch um die Möglichkeit, sich in diesem Haus durch die Kunst zu verlieren, um sich so neu wieder zu finden“.
Mehr Texte von Roland Groß

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