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Linke und rechte Kulturpolitik

Die Kultursprecherin der Sozialdemokratischen Partei Österreichs hatte zu einem runden Tisch ins Bruno-Kreisky-Forum geladen. Diskutiert werden sollte die Frage: „Was ist linke Kulturpolitik.“ Gekommen waren dreißig Kulturschaffende aus allen Sparten, als Ausgangspunkt wurde der Begriff der „partizipativen Kunst“ in die Runde geworfen, man konnte sich auf einen spannenden Abend freuen.

Erwartbarerweise überwiegten zuerst die Stimmen, die es sich strikt verbaten, die Kunst mit einem irgendwie gearteten Auftrag zu versehen. Kunst dürfe alles und müsse nichts, schon gar nicht links oder partizipativ sein. Einer meinte, dass Kunst vor allem radikal und subversiv zu sein habe, ein anderer wiederum, dass der Kunstbetrieb mit seinen Selektionsverfahren, seiner Preispolitik und seinem Hang zur Repräsentation doch wohl per se eher rechts sei. Daraufhin meldeten sich einige Maler und Radiomacher: Der Akt des Kunst- und Kulturschaffens selbst sei doch eine lustvolle Könnenserfahrung, man fühle sich frei, artikuliere sich und stärke das Selbstwertgefühl. Solch eine Praxis zu fördern, das sei linke Kulturpolitik. Zu einem Konsens kam es an diesem Abend nicht mehr: Die Vorstellungen von einer linken oder rechten Kulturpolitik schienen sich merkwürdigerweise ständig zu überlagern.

In der Hoffnung, meine solcherart verwirrten Positionen im Kopf etwas klären zu können, besuchte ich einige Tage später den “Kampf um die Stadt” im Wiener Künstlerhaus. „Kampf um die Stadt“ ist eine vom Wien Museum konzipierte Großausstellung, die sich mit der Umbruchzeit zwischen 1918 und 1938 beschäftigt. Damals stand ein „Rotes Wien“ gegen eine „schwarze Alpenrepublik“, Asphalt stand gegen Scholle, Großstadtkultur gegen Volkstumsideologie. Ich dachte, wenn sich die politischen Lager derart polarisierten, müsste doch auch die Kulturpolitik klare Konturen gehabt haben.

Die Ausstellung ist in der Tat eine gut orchestrierte Zeitgeist-Maschine: Themenfelder wie Autoverkehr und Alpenideologie, Bürgerkrieg und Ständestaat, Arbeitslosigkeit und Freizeitkultur, Architektur, Design und Mode öffnen weite Fenster, aus denen den Besuchern die Stimmungen, die Töne und Parolen, die Körperhaltungen und Frisuren, die Not und das Vergnügen der damaligen Welt entgegen wehen. Auch die Kunst und Kulturpolitik jener Zeit ist solch ein Themenfeld. Erstaunlicherweise ist es jedoch das einzige, in dem die Ausstellung keinen wesentlichen Konflikt zu erzählen weiß: Kulturpolitik im heutigen Sinne gab es kaum, weder von links noch von rechts, und das wenige ähnelte sich. Sicher: die „linke Kulturpolitik“ förderte unter anderem Arbeiter-Symphoniekonzerte, die „rechte“ vermehrt Künstler, die die Heimatideologie stärkten. Ansonsten jedoch sahen sich die Sozialdemokraten eher dem Vorwurf ausgesetzt, in punkto Kultur mit den Bürgerlichen wettzueifern – z.B. in dem sie die Wiener Festwochen etablierten.

Die Ausstellung präsentiert das Kapitel dem entsprechend wie in einem Kunstmuseum: Man wird aus der spezifischen Zeit herausgekippt und steht plötzlich vor einzelnen Werken. Die Bilder und Skulpturen sind hier nicht mehr wie im Rest der Schau dokumentarisch illustrativ eingesetzt, sondern überzeitlich und autonom gemeint. Im Rahmen der ansonsten aufklärerisch-debattierenden Präsentation bleibt das Kapitel auf symptomatische Weise ein Fremdkörper.

Ein tendenzielles Instrumentarium wird Kulturpolitik erst, wenn man den Rahmen der ästhetischen Gestaltung weiter steckt. Dann manifestierte sich die sozialdemokratische Kulturpolitik in den 1920er Jahren nämlich vor allem als sozialer Wohnbau. Diverse Luxus- und Vergnügungssteuern ermöglichten gewaltige Bauleistungen. Über die ganze Stadt verstreut wuchsen eindrucksvolle burgartige Wohnanlagen mit wegweisenden familiengerechten Einrichtungen. Die „rechte Kulturpolitik“ ab 1934 hingegen errichtete als größten Repräsentationsbau des Ständestaates die kurvenreiche Höhenstraße, von der man aus der Ferne das schöne Wien betrachten konnte. Intendiert war sie als Inszenierung der Fahr- und Schaufreude für die Oberschicht und als Impuls für den Wien-Tourismus. Vielleicht, so dachte ich, sollte man genau solche Beispiele als paradigmatisch nehmen für linke und rechte Kulturpolitik: Auf der einen Seite werden würdevolle Orte für untere und mittlere Schichten geschaffen, auf der Seite wird die distanzierte Rezeption gefördert.

Beim bevorstehenden Neubau des Wien Museums wird es in diesem Sinne interessant sein, ob nur auf eine eindrucksvolle Architektur und großzügige Ausstellungshallen geachtet wird, oder auch auf ein Raumprogramm, das Anknüpfungspunkte für unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen bietet, also z.B. Workshop-Räume für Jugendliche und MigrantInnen, oder Spielcafés für Familien mit Kinder, ein kostengünstiger freier Veranstaltungsraum usw. Daran wird sich zeigen, wie „links“ oder „rechts“ die Wiener Kulturpolitik heute ist.

Mehr Texte von Vitus Weh

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Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Gramsci reloaded
Ingeborg Knaipp | 25.01.2010 06:30 | antworten
Linke Kulturpolitik ist jene, die die Hegemonie der linken Ideologie im Bewußtsein möglichst weiter Schichten verankert und festigt. Linke Kulturpolitik ist daher gleichbedeutend mit Bildungs- und Gesellschaftspolitik, wie uns Stadträtin Ursula Pasterk vor einigen Jahren erläutert hat. Sie beginnt im Kindergarten („Bildungsgarten“), führt über die Gesamtschule und Curricula mit in allen Fächern verpflichtenden Gender Studies zu Arbeitsplätzen in Ämtern und Ministerien, wo linke Herrschaft direkt ausgeübt, und in Schulen und Medien und in den Kulturbetrieb, wo durch eine intellektuelle Priesterkaste die linke Herrschaft gestützt wird. Linke Kulturpolitik ist jene, die das bürgerliche, konservative oder liberale („rechte“) Mindset und bürgerliche Institutionen schwächt. Als solche Institutionen fallen vor allen Dingen Familie und Privateigentum ins Auge; man wünscht sie zu beseitigen, muß im System des nichtrevolutionären Sozialismus aber besonnen vorgehen. Die Rolle der Künstler ist es, neue, eventuell kontroverse oder subversive, auf jeden Fall aber antibourgeoise Lebensmodelle zu entwickeln, die aus Rücksichtnahme auf die Wählerstimmenmaximierung von der Partei nicht von oben durchgesetzt werden können, deren gesellschaftsveränderndes Potential man aber dennoch nutzen will. Unser Bundespräsident Heinz Fischer als aufmerksamer Leser Antonio Gramscis erklärte 1977 in seinen „Roten Markierungen“ diese Strategie folgendermaßen: Sozialistische Ideen voranzutreiben sei die Aufgabe von „progressiven Minderheiten und Randgruppen“, die nicht unter dem Zwang zur Realisierung stünden. Was diese Gruppen andererseits aber umso weniger könnten, je radikaler sie agieren, das könnten die Parteiführung und die Regierung: „Durchbrüche zu einem veränderten Bewusstsein absichern und erweitern, das bereits Durchsetzbare durchsetzen, den Modellen eine faire Chance zur Entwicklung geben und anderes mehr.“ Da haben wir sie, die „faire Chance“, da haben wir aber auch einen anderen, noch viel unverzichtbareren Fixpunkt eines linken Kulturverständnisses: Durchbrüche zu einem veränderten Bewußtsein, die als zur Redensart erstarrte „Irritation oder Veränderung der Wahrnehmungsgewohnheiten“ seit Jahrzehnten durch die Feuilletons geistern. Was „progressive Randgruppen“ unter wohlwollender Beobachtung durch sozialistische Landeshauptleute dabei alles an Veränderung auf die Beine stellen können, hat uns ein berühmter Lehrer für Deutsch und Bildnerische Erziehung vorgeführt. Die Wählerschaft durch Gemeinschaftseinrichtungen in Gemeindebauten auf kollektive Lebensformen einzuschwören, ist, wie von Vitus Weh bemerkt, natürlich linke Kulturpolitik (die „Frankfurter Küche“ der Kommunistin Schütte-Lihotzky ist es ironischerweise eher nicht). Den emanzipatorischen Wert solcher Versuche möchte ich allerdings anzweifeln: Obwohl die Gemeinschaftsküche im Karl-Marx-Hof gewiß komfortabler ausgestattet war als ihr Vorbild in der Moskauer Kommunalka der frühen Dreißigerjahre, würde ich, wenn meine Meinung denn gefragt wäre, vom gemeinsamen Kochen mit anderen Weibern und den Parteifunktionärinnen unter ihnen lieber absehen wollen. Nicht auszudenken, wenn frau da ein falsches Gewürz kauft oder irgendwelche bürgerlichen Zutaten haben möchte! Hier geht es wohl nicht um Emanzipation, sondern um die Politisierung des ehedem Privaten, um die Herauslösung der Frauen aus Familienstrukturen, um die Unterordnung unter das „Gemeinwohl“ und andere schöne, linke Sachen. Letztendlich ist Emanzipation oder Mündigkeit kein linkes Ideal. Als untrennbar mit Verantwortung und Freiheit verbunden widerstreitet sie der linken Ideologie von Parteiherrschaft und allumfassendem Staat. In diesem Lichte spielt der Künstler, der sich lustvoll der linken Gesellschaftsveränderung oder der „Radikalität“ hingibt, die Rolle eines nützlichen Idioten. In nachrevolutionären Phasen ist es selbstverständlich aus mit der Party.

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