Iris Meder †,
Herbert List. Retrospektive: Bukolisch melancholisch
1903 in eine Hamburger Kaffeeimporteursfamilie geboren und kulturell im männerbündischen Kreis von Stefan George sozialisiert, kam Herbert List mit der Fotografie über den mit ihm befreundeten Jung-Bauhäusler Andreas Feininger in Kontakt. Dem "Neuen Sehen" verpflichtet sind demgemäß Lists Arbeiten der dreißiger Jahre, mit den bekannten Mitteln wie Schatten, Spiegelungen, Masken und Verhüllungen. Der Surrealismus seiner "fotografia metafisica" bildet den ersten der Themenblöcke der Ausstellung. Homosexuell und "jüdischer Mischling" gemäß den Nürnberger Gesetzen, lebte List in den Dreißigern in Paris, wo er die Bekanntschaft von Jean Coctau machte und neben de Chirico vom damals wiederentdeckten Eugène Atget beeinflusst wurde. Es entstanden Doppelbelichtungen, vereinzelt auch Fotomontagen, unter dem Eindruck des Nazi-Terrors surreale Arrangements zum Thema Gewalt und Zerstörung, die sich nach Kriegsende in elegischen Bildern des zerbombten München fortsetzten.
Überhaupt könnte das Elegische als ein Leitmotiv Lists bezeichnet werden, das als Hintergrund noch den bukolischsten griechischen Schwarzweiß-Stilleben innewohnt, den im Morgenlicht die Augen aufschlagenden jungen Männern, den melancholischen Strandschönheiten in Badehosen, die List trotz ihrer unschuldigen Ästhetik zeit seines Lebens in einem "Giftkoffer" unter dem Bett aufbewahrte, und auch den Bewohnern der Elendsviertel von Neapel, die er 1962 in einem gemeinsam mit Vittorio de Sica konzipierten Bildband verewigte, ohne jeden Sozialvoyeurismus und weder heroisierend noch larmoyant.
In den fünfziger Jahren entstanden zahlreiche Portraits von Intellektuellen, Komponisten, Künstlern und Schauspielern im Magnum-Stil, die, im Falle schrulliger Persönlichkeiten wie Marino Marini und Giorgio Morandi, mitunter recht skurril ausfallen konnten. Seinen Platz im Olymp der Klassiker der Fotografie hat sich Herbert List zweifellos verdient. Und sein Olymp hat ganz bestimmt einen Sandstrand.
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Herbert List. Retrospektive
09.02 - 05.04.2010
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