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Candice Breitz - The Scripted Life: Individualität und Masse

Unter Anwendung narrativer Strukturen stellt die Video- und Fotokünstlerin Candice Breitz Erkundigungen an über Identität und Individualität in unserer Massengesellschaft. Erstmals in Österreich bekannt wurde Breitz, 1972 in Johannesburg geboren, mit ihren Collagearbeiten wie Ghost (1994-96) oder Rainbow (1996). Beide Zyklen zur neuen Identität von Südafrika nach Ende der Apartheid wurden in der Ausstellung Inklusion : Exklusion in Graz (1996) gezeigt. Waren es damals Übermalungen und Fotomontagen, arbeitet sie heute mit technisch perfekt avancierten Bildschnitten für die Zusammensetzung von bewegten Bildcollagen.

Der inhaltliche Fokus ihrer Videoinstallationen ist heute auf das psychologische Phänomen des Doppelgängers in der Massenkultur gerichtet. Darüber hinaus sucht die Künstlerin und Kunsthistorikerin einen politischen Konnex im Geflecht der Popkultur auszuloten. Für Breitz erzeugt die zeitgenössische globalisierte Popkultur ein mitbestimmendes Konstrukt für kollektive Gedächtnisse, für gelenkte Kommunikation, Gefühle oder Empfindungen. Beispielhaft treten die Projektionen einer Fankultur als Auslöser von Sehnsüchten für ein nicht gelebtes Leben in Erscheinung. Die medialen Bilder manipulieren nicht nur den öffentlichen Diskurs, sie dringen auch in die Privatsphäre jedes Einzelnen ein. So gelangt Breitz zur Überzeugung, dass unsere Kultur primär von Traumfabriken wie Hollywood oder MTV dominiert wird.

Neben ihren bekannten großformatigen Videoinstallationen wie Working Class Hero (A Portrait of John Lennon, 2006) und Him and Her (1968-2008) werden in Bregenz neue Arbeiten aus der Reihe Factum (2009) vorgestellt. Die Künstlerin hat den Titel der beinahe identischen Zwillingsbilder Factum I und Factum II (1957) von Robert Rauschenberg entlehnt. Ging es bei Rauschenbergs Zwillingsidee mehr um die Demontage eines Mythos von Authentizität bei abstrakter oder expressiver Malerei, versucht Breitz in Verbindung mit der Verdoppelung von Stereotypen das Konzept der Individualität in seiner Vorrangstellung zu hinterfragen. Dabei werden eineiige Zwillinge, getrennt voneinander, stundenlang mit denselben Fragen interviewt. Breitz hat die Interviews komprimiert und zeigt sie in der Ausstellung auf zwei nebeneinander angebrachten Monitoren, gleichsam als Doppelporträt. Durch denselben Hintergrund und die gleiche Kleidung der Zwillingspaare werden zwar die Ähnlichkeiten fokussiert, die Unterschiede in ihrer Gestik und den geäußerten Ansichten erzeugen jedoch die individuelle Differenz.

Die zweiteilige Videoinstallation New York, New York (2009) wurde eigens für die Bregenzer Soloausstellung produziert. Die Künstlerin führt hier das Motiv des Doppelgängers in erweiterter Form fort. Die in genau gleichen Kostümen auftretenden Darsteller sind fünf eineiige Zwillingspaare, welche getrennt voneinander, aber in identischen Bühnenbildern ihre vorgegebenen Rollen spielen. Für zwei unterschiedliche Performances wurden völlig gleiche äußere Rahmenbedingungen erzeugt, die Gleich- und Ungleichheiten sind erst durch konzentriertes Hinsehen und -hören auszumachen. Unter anderem finden wir auch Andy Warhols berühmte Verdoppelungen der Ikonen „Elvis“ und „Marilyn“ als Bühnenrequisiten wieder, als eine zusätzliche Anspielung auf Breitz´ künstlerische Intention, eine scheinbare Individualität oder eben The Scripted Life darstellerisch zu chiffrieren.

Mehr Texte von Romana Schuler

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Candice Breitz - The Scripted Life
06.02 - 11.04.2010

Kunsthaus Bregenz
6900 Bregenz, Karl Tizian Platz
Tel: +43 5574 48 594-0, Fax: +43 5574 48 594-8
Email: kub@kunsthaus-bregenz.at
http://www.kunsthaus-bregenz.at
Öffnungszeiten: Di-So 10-18, Do 10-20 Uhr


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