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Wir sind Kaiser

In Wien glänzt es an allen Ecken und Enden. Im Kunsthistorischen Museum etwa, im Prunksaal der Nationalbibliothek ebenfalls, bis vor kurzem im Liechtenstein Museum, demnächst ganz stark auch im Belvedere – und im Frühjahr nächsten Jahres in der Albertina. Die Stadt erlebt gegenwärtig eine merkwürdige Koinzidenz von Ausstellungen über Monarchen und Aristokraten, meist solche mit Hang zur Kunst. So präsentierte man im KHM bis vor kurzem in der (aufgrund der haarsträubenden Kulturpolitik in diesem Land noch immer geschlossenen) Kunstkammer die Schau „Karl der Kühne. Glanz und Untergang des letzten Herzogs von Burgund“; im dortigen Münzkabinett läuft derzeit noch „Glanz des Hauses Habsburg“. Die ÖNB zeigt eine Ausstellung mit dem Titel „Wenzel von Böhmen – Heiliger und Herrscher“; im Liechtenstein Museum lief bis vor kurzem „Einzug der Künste in Böhmen. Malerei und Skulptur am Hof Kaiser Rudolfs II. in Prag“. Das Belvedere trumpft ab 11. Februar mit „Prinz Eugen – Feldherr Philosoph und Kunstfreund“ auf, und die Albertina verzaubert uns in ungefähr einem Jahr mit „Kaiser Maximilian I. (1459-1519) und die Kunst seiner Zeit“. Gemeinsam ist diesen Projekten, dass sie ihre Protagonisten nicht gerade aus einer distanzierten Position zu beleuchten beabsichtigen – mit kritischen Anmerkungen jedenfalls geht man äußerst sparsam um. Im KHM führte man die ungemeine Pracht am Hof Karls des Kühnen vor – um am Ende der Ausstellung kurz darauf zu sprechen zu kommen, dass der Herzog eben auch ein „verhasster Tyrann“ gewesen sei; warum, erfuhr man nicht. Eigenartiger mutet die kleine Schau über Wenzel von Böhmen an, in der ein teils gülden angefärbelter Nachbau von dessen Sarkophag einem nach einem Vorbild aus dem Veitsdom geschnitzten Flügelaltar gegenüber gestellt wurde. Man habe auf diese Weise, teilt die ÖNB mit, „dem Prunksaal die Atmosphäre eines sakralen Ortes“ verleihen wollen. Zukünftige Projekte versprechen eine ebenso verehrende Haltung einzunehmen. So erklärt das Belvedere, man wolle „den Prinzen als Feldherr, Staatsmann und Mäzen der Kunst und der Wissenschaften“ präsentieren; bereits im ersten Satz der Ankündigung schwärmt man von „seinem kometenhaften Aufstieg und seiner glanzvollen Karriere als Feldherr“, der „das Geschick des Landes und auch dessen Kunst- und Kulturgeschichte nachhaltig prägte“. Die Albertina schwärmt schon jetzt vom „glanzvollen Aspekt der Kunst der Zeit Maximilians“, von der „europaweiten Renaissance des Rittertums [...], das sich in immer prächtigeren Turnieren und Rüstungen darstellt.“ Ich verstehe ja die Faszination an all dem Glanz – den schimmernden Harnischen, den blitzenden Blattgold-Skulpturen, den güldenen Medaillen, den wunderschönen Buchmalereien und was ein imperiales Regime sonst noch so an Herrlichkeiten in Auftrag geben konnte. Aber kann man sich im 21. Jahrhundert historischen Machthabern nicht anders stellen als auf eine noch immer weitgehend verherrlichende Art? Vor allem in einem demokratiepolitisch ohnehin dahinsiechenden Land – in dem sich offenbar ein Fünftel der Bevölkerung einen „starken Führer“ wünscht, der das Parlament außer Kraft setzen kann?
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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