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Halbe Kraft voraus

Der deutsche Auktionsmarkt erholt sich Die deutschen Auktionshäuser sind bisher glimpflich durch die Krise gekommen. Während die international agierenden Unternehmen empfindliche Einbußen vor allem des hochpreisigen Zeitgenossen-Marktes hinnehmen, konnte sich der hiesige Mittelmarkt gut behaupten. Durch die Aufgabe von Repräsentanzen und damit Akquisepotential konnten die einheimischen Versteigerer sogar von der Schwäche der Großen profitieren. Die beiden deutschen Marktführer Lempertz und Villa Grisebach litten allerdings ebenfalls etwas, so dass der Abstand zu den nächstkleineren Kunstvermittlern geringer wurde. Das lag vor allem daran, dass in diesem Jahr kaum Millionenwerke auf den Block kamen. Auch war Risikofreude als Sekundärtugend nicht beliebt. Folgerichtig lässt sich das teuerste zeitgenössische Kunstwerk, das dieses Jahr in Deutschland versteigert wurde, am besten als zeitloser Klassiker beschrieben: 500.000 Euro netto (Taxe 400.000 EUR) kostete Fernando Boteros nahezu lebensgroße Skulptur „La Pudeur „ bei Van Ham in Köln diesen Herbst. Zudem konnten fast überall ein großes Nagelbild von Günther Uecker für einen sechstelligen Betrag angeboten und vermittelt werden; auch das eine Position, die der Markt längst seliggesprochen hat. Kennzeichnend für diese Saison waren auch die Kräfteverhältnisse: deutscher und europäische Sammler siegten gegen europäischen Handel. Die meisten hochpreisigen Kaufpreise wurden aus privaten Brieftaschen beglichen. Der Handel wartet offensichtlich noch ab. Oder hat Schwierigkeiten, Finanzierungen für seine Einkäufe aufzutreiben. Den stabilsten Umsatz und die Toplose waren der Klassischen Moderne zu verdanken. Insofern sind die klassischen Kräfteverhältnisse auf dem deutschen Kunstmarkt wieder hergestellt. Spitzenreiter war Villa Grisebach, die in sowohl im Frühjahr als auch im Herbst den höchsten Zuschlag der Saison verbuchen konnten, beide Male mit Max Beckmann. Sein „Nachtgarten bei Cap Martin“ ging im Frühjahr für 1.332.800 Euro brutto an einen baden-württembergischen Sammler. Im Herbst stritten sich gleich vier deutsche Sammler um eine freundlicher gefärbte Landschaft bei Marseille und bescherten dem Haus mit 2,62 Millionen Euro den höchsten Zuschlag des Jahres im Land. Gleichwohl litten die Berliner am meisten unter dem ausgetrockneten Spitzensegment und fuhren im Gesamtjahr lediglich 25,6 Millionen Euro ein, gegenüber noch 32 Millionen Euro im Vorjahr. Spitzenreiter ist damit unangefochten das Kölner Kunsthaus Lempertz, das 36 Millionen Euro einnahm – rund 20 Millionen davon in der zweiten Jahreshälfte - allerdings über alle Sparten des Kunstmarkts. Dabei waren die Höchstzuschläge recht gleichmäßig verteilt. Während ein Blumenbild von Heinrich Campendonk den Höhepunkt des Frühjahrs bildete, für das ein niederländischer Sammler 797.000 Euro brutto (Taxe 500.000 bis 700.000 Euro) bot, war es im Herbst ein Blumenstilleben Alexej von Jawlenskys, für das ein Russe 787.000 Euro brutto (Taxe 200.000 – 250.000 EUR) aktivierte. Die größte Überraschung lieferte in diesem Jahr Kettererkunst aus München. Der Umzug in einen Neubau in der Gewerbewüste am alten Flughafengelände mit dem „ wohl größten Kunstschaufentser der Welt“ (Eigenaussage des Unternehmens) ohne Laufkundschaft hatte in der Branche zunächst für Spott gesorgt. Zudem waren die Frühjahrsauktionen ebenso wie die erste Herbstauktion mit Werken bis 25.000 Euro von mäßigem Erfolg gekrönt. Doch im Herbst wendete sich das Blatt mit einem gut bestückten Katalog. Mit der Dezember-Auktion stieg der Halbjahreserlös auf 9,5 Millionen Euro brutto nach 7,9 Millionen Euro in den vorangegangenen sechs Monaten. Allein Otto Muellers „Artistenpaar“ erlöste 780.000 Euro brutto (Taxe 600.000 bis 800.000 EUR) von einem amerikanischen Sammler. Damit sind die Münchener ein Stück näher an die Spitze gerückt. Hauswedell & Nolte konnte in Hamburg vom weitgehenden Rückzug der Münchener nicht nicht spürbar profitieren. War in der ersten Jahreshälfte noch mit Wassily Kandinskys Farbkreidenstudie für das Gemälde „Reitendes Paar“ aus dem Jahr 1906von einem rheinischen Telefonbieter mit 438.200 Euro brutto (Taxe 300.000 Euro) noch ein kapitaler Zuschlag zu vermelden, war die Herbstauktion durchgängig von Mittelware geprägt. Teurstes Los im Herbst war eine Vorzeichnung von Käthe Kollwitz zu ihrer Radierung „Beim Dengeln“, die ein deutsches Museum für 135.000 Euro netto (Taxe 20.000 EUR) übernahm. Auf ein erfolgreiches Jahr blickt Van Ham aus Köln zurück. Knapp 20 Millionen Euro stehen hier am Jahresende in den Büchern. Nach 8,3 Millionen Euro im Frühjahr bedeutet das nochmals einen deutlichen Umsatzsprung. Damals hatte Ernst Ludwig Kirchners „Drei Akte im Wald“ mit einem Ergebnis von knapp 1,1 Millionen Euro inklusive Aufgeld (Taxe 400.000 bis 600.000 Euro) einsam das Feld angeführt, in der Herbsauktion war das Feld dichter besetzt. Vor allem schlug hier aber das 19. Jahrhundert zu Buche. Keine Jubelmeldungen gab es hingegen von den beiden anderen prominenten Münchener Versteigerern Neumeister und Karl & Faber. Letztere freuten sich immerhin über Gabriele Münters München-Ansicht „Strasse (Dämmerung)“, die 215.100 Euro brutto brachte und Alexej von Jawlenskys „Stillleben mit rotem Tablett und Astern“, das 322.650 Euro einspielte.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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