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re: ex-post. Critical Knowledge and the Post-Yugoslavian Condition: Geschichtspolitische Interventionen

Die 68er-Bewegung in Jugoslawien hatte kein eigenes Programm. „Unser Programm“, proklamierten streikende Studierende und Lehrende der Universität Belgrad programmatisch, „ist das Programm der fortschrittlichsten Kräfte unserer Gesellschaft – das Programm des BdKJ und unserer Verfassung.“ Dieses Statement war keine Anbiederung an Titos herrschenden Bund der Kommunisten, denn im nächsten Satz hieß es provokativ: „Wir wollen ihre unmittelbare Umsetzung in die Praxis.“ Die heute dominante Narration, dass in Osteuropa 1989/90 die Forderungen und Träume von 1968 in Erfüllung gegangen seien, ist für Jugoslawien kaum mit den historischen Fakten zu belegen. Aber Geschichte wird nicht nur gemacht, sie wird auch in umkämpften Prozessen geschrieben. Hier treten die Partisanen und Partisaninnen, auf deren Vermächtnis sich die jugoslawischen 68erInnen noch positiv bezogen, bestenfalls noch als kommentierende Geister auf wie im Singspiel, das die Gruppe Chto Delat? gemeinsam mit Vladan Jeremic und Rena Rädle inszeniert hat. Die von Luisa Ziaja kuratierte Ausstellung „RE: EX-POST, Critical Knowledge and the Post-Yugoslavian Condition“ widmet sich solchen Geschichtsschreibungen anhand konkreter Beispiele aus den Ländern des ehemaligen Jugoslawien. Allerdings geht es weniger um die so genannte Aufarbeitung als vielmehr um Transformationen der Gegenwart, denen die jugoslawische Erfahrung der spezifische Hintergrund ist. Die präsentierten Arbeiten, obwohl bloß drei, präsentieren dabei ein durchaus paradigmatisches Formenrepertoire künstlerischer Analyse und Kommentierung dieser Situationen ökonomischen und kulturellen Übergangs. Neben dem szenischen „Partisan Songspiel“, in dem exemplarische Herrschende und Beherrschte über die Räumung einer Roma-Siedlung anlässlich der Belgrade Universiade 2009 verhandeln, werden mit Nina Höchtls „Tales of Protest. A Necessity“ und der Foto-Videoinstallation „Brotherhood and Unity“ von Marija Mojca Pungercar eher dokumentarische Techniken angewandt. Während die Schilderung der Autobahnrestaurierung bei Marija Mojca Pungercar trotz der bunten Bilder eher neue soziale Ungleichheit als ein Anknüpfen an vergangene Solidaritäten aufzeigt, verhindern die Kommentare, die in Höchtls Installation von ArbeiterInnen in weißer Schrift auf schwarzen Grund gesprochenen werden, das Abgleiten in Niedergangserzählungen. Denn hier wird ein erfolgreicher Kampf gegen eine geplante Privatisierung geschildert, der in der Übernahme der Fabrik in Selbstverwaltung durch die ArbeiterInnen mündet. Ein Kampf im Übrigen, den man angesichts der langen und wechselhaften Geschichte der Arbeiterselbstverwaltung in Jugoslawien geschichtspolitisch so beschreiben könnte, wie der Historiker Boris Kanzleiter die jugoslawischen 68er-Proteste bezeichnet hat: als „affirmative Revolte.“
Mehr Texte von Jens Kastner

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re: ex-post. Critical Knowledge and the Post-Yugoslavian Condition
20.01 - 21.02.2010

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