Werbung
,

Christine de Grancy - An Ort und Stelle: Westliche Weltsicht

Andere Länder, andere Sitten. Diese Binsenweisheit war seit Beginn der Reisefotografie um die Mitte des 19. Jahrhunderts häufig genug Anlass zu Orientalismen. Das mag anno dazumal, als das Phänomen neu war, noch bis zu einem gewissen Punkt verständlich gewesen sein. Heute ist es schlicht ein Ärgernis. Die Fotografin Christine de Grancy hat eine Vorliebe für Derartiges. Nach mehrmaligen Aufenthalten in Pakistan - und besonders nach den Ereignissen nach dem 11. September 2001 - möchte sie mit ihrer derzeitigen Ausstellung von Fotos von Mitgliedern der Paschtunenstämme einen Beitrag leisten, \"der Welt des Islam mit Respekt und Zuneigung zu begegnen\". Die Absicht ehrt sie. Was sie zeigt, ist - in technisch einwandfreiem Schwarzweiß - eine Welt der Traditionen. Frauen tragen Kinder auf dem Arm, Männer sitzen zu Pferd, spielen Polo, schlachten Tiere oder sind sonst irgendwie aktiv. Selten schiebt sich ein Gegenstand in das Blickfeld De Grancys, der ihre Motive als heutig deklariert. So wie sie Pakistan fotografiert, hat es wohl im Wesentlichen schon vor 150 Jahren ausgesehen. Hässliches wird nicht ausgespart. Es wird auf etwas tendenziöse Weise ästhetisiert. Einen tanzenden Schamanen mit viel zu langen Ärmeln und himmelwärts verdrehten Augen lässt De Grancy wie eine heilige Vogelscheuche aussehen, eine runzlige alte Frau im folkloristischen Schmuck wirkt wie eine lebendige Mumie: De Grancy fotografiert die Paschtunen wie Type-Casts für eine westliche Filmproduktion über den Orient. Und genau dort liegt das Problem dieser Fotografie. Sie behauptet zu dokumentieren und inszeniert doch nur eine romantische Erwartungshaltung der Ersten Welt an die Dritte. Sie ist zu schön um wahr zu sein. Die Posen sind alltäglich und doch groß genug, um schicke Motive zu ergeben. Ganz zu schweigen von den Kostümen. Doch kein Blick reicht unter die Oberfläche. Nichts deutet darauf hin, dass auch diese Gesellschaft Probleme hat. Nirgends findet sich echte Spannung. Keines der Bilder vermag wirklich zu berühren. Um ein realistisches, Verständnis erweckendes Bild der islamischen Welt abgeben zu können, ist das zu wenig.
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Christine de Grancy - An Ort und Stelle
11.06 - 04.08.2002

Westlicht
1070 Wien, Westbahnstrasse 40
Tel: +43 1 522 66 36 - 0, Fax: +43 1 523 13 08
Email: info@westlicht.com
http://www.westlicht.com
Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr 14-19, Do 14-21, Sa, So, Fei 11-19 h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: