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Design on Display

Wie zeitgenössische Kunst im Museum korrekt auszustellen ist, weiß man heute weltweit. Die Konvention des „White Cubes“, der isolierenden Hängung und der dezenten Beleuchtung von oben begann sich bereits seit den 1930er Jahren zu etablieren und etwas anderes als dieses Körper-negierende Display scheint mittlerweile nicht mehr denkbar zu sein. Wie abenteuerlich ist dagegen ein Designmuseum: In solchen Häusern kann es aussehen wie auf einer Messe, wie in einem Café oder wie in einem Lager. Aber Designmuseen gibt es noch nicht lange: das Designmuseum in London und auch das Vitra Design Museum wurden erst 1989 eröffnet. Wie sollten sich in so kurzer Zeit bereits Konventionen herausbilden? Und doch scheint gerade dies zu geschehen: Das Kölner Museum für Angewandte Kunst hat für ihre neue Designabteilung ziemlich genau das Display der Münchner Neuen Sammlung kopiert. Die eigentliche „Ikone“ der Sammlung ist dabei jeweils ein hinterleuchtetes Raumfachwerk, eine überdimensionierte Kreuzung aus weißem Billyregal und Setzkasten. Es steht jeweils am Eingang und bietet Platz für einige exemplarische Ausstellungsstücke. In München (seit 2002) war das System noch als Index intendiert und vor allem der gewaltigen Raumhöhe in der Pinakothek der Moderne geschuldet. In Köln hingegen (seit 2008) ist es bereits Konvention. Trotz Platznot wurde das Münchner Display fast 1:1 dupliziert. Der Setzkasten also, der Museumsbau für kleinbürgerliche Sammelfreuden an Nippes und Glastierchen, schickt sich an, zum Ideal-Display für Design zu werden. Als Name für dieses Display würde ich gerne „Vitrastyl“ ins Rennen schicken: Die bekannte Stuhlfirma aus Weil am Rhein hat es zwar nicht erfunden (in München zeichnen dafür Sammlungsdirektor Florian Hufnagl, Albert Bangert und Dieter Thiel verantwortlich), aber sie hat es durch ihren Kurator Mateo Kries nach Köln sozusagen exportiert. Was jedoch noch wichtiger ist: Vitra bewirbt die Setzkasten-Philosophie seit Jahren auf ihren Postern und Buchcovern und hat vor allem Produkte im Angebot, die auch für den privaten Setzkasten geeignet sind: Miniaturmodelle von berühmten Designermöbeln, allerdings kaum billiger als die Originale. So schließt sich dann ein kurioser Kreis: Design wird mehr und mehr auf Stuhl-Design reduziert, im Gegenzug darf jeder zuhause ein miniaturisiertes Stuhl-Museum beherbergen. Zur Erinnerung: Setzkästen waren einst die Behälter von Bleilettern. Jedes Buch seit Gutenberg, jede Zeitung nahm in ihnen ihren Ausgang. Ab 1962 begann bei der Satzherstellung allerdings der EDV-Einsatz, abertausende Schriftsetzer mussten umgeschult werden oder wurden arbeitslos. Die Bleilettern wurden eingeschmolzen, die hölzernen Schriftkästen, in denen die Lettern immer griffbereit nach einem genauen Verteilsystem – wie die Tastatur einer Schreibmaschine – sortiert lagen, wurden ausgemustert. Und genau diese „Ausmusterung“ ist als ein narrativer Kern jedes Setzkastensystem bis heute noch zu spüren. Jeder Setzkasten mit Nippes erscheint mir sentimentalisch aufgeladen mit „freigestelltem“ Leben – freigestellt im Sinne von entlassen, isoliert und vergangen. Jedes Setzkasten-Museum ist damit eigentlich ein todtrauriges Selbstbild, und Privatmuseen für Stuhlminiaturen erscheinen mir kaum weniger melancholisch. Fühlt sich etwa auch das Bildungsbürgertum freigestellt von ihren traditionellen „Besitzungen“ und tröstet sich nun mit Stellvertreterstühlen für all die verschwundenen Salons, Cafés und ihre anderen Utopieräume?
Mehr Texte von Vitus Weh

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