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Eklatante Fehleinschätzung

Auf ihren Gebieten sind beide echte Größen. Ruth Beckermann zählt zu den wichtigsten Vertreterinnen des österreichischen Films, hat einen Doktor in Publizistik und Kunstgeschichte und beschäftigte sich in ihren Arbeiten immer wieder mit jüdischer Geschichte und Gegenwart. Danielle Spera wird gerne mit dem Titel „ORF-Star“ bedacht, hat über die Sozialdemokratie promoviert und ist Mitbegründerin des jüdischen Kulturmagazins „Nu“. Beide kennen sich also auf dem zur Diskussion stehenden Feld bestens aus und benötigen für ihre Arbeit gewiss auch Führungsqualitäten. Trotzdem mutet es ein bisschen merkwürdig an, dass sie sich für die Leitung des Jüdischen Museums Wien beworben haben. Spera, die auf dem Cover des stets um Seriosität bemühten „Österreich“ bereits als quasi sichere Nachfolgerin von Karl Albrecht-Weinberger gehandelt wurde (Titel: „Spera vor Abschied vom ORF“), hat ebenso wenig Museumserfahrung wie Mitbewerberin Beckermann. Spera gilt als Favoritin der in diesem Zusammenhang nicht ganz unwichtigen SPÖ-Finanzstadträtin Renate Brauner – was wiederum zum provinziellen Kulturverständnis in weiten Teilen der Stadtverwaltung abseits der Kulturverwaltung passen würde. Nicht die jeweiligen Personen oder ihr Fachwissen sind das Problem, sondern die Tatsache, dass sie wenig bis gar keine relevante Erfahrung haben: Die Leitung eines Museums ist schließlich eine fundamental andere Aufgabe als Filmemachen oder Moderieren. Warum traut sich eigentlich jemand diesen komplexen und anstrengenden Job zu, ohne jemals in diesem oder einem vergleichbaren Bereich gearbeitet zu haben? Wissenschaftliche und kuratorische Expertise verliert, Öffentlichkeitswirksamkeit gewinnt an Relevanz. Das ist kein ganz neues Phänomen, zeigt sich aber derzeit ebenso gut an der – bis zur Abgabe dieses Textes noch immer nicht abgeschlossenen – Nachbesetzung der ab 1. Jänner 2010 vakanten NHM-Leitung: In der Jury sitzen Journalisten, PR- und Marketingleute – kein einziges Mitglied jedoch ist in der Forschung tätig. Kein Wunder, dass Museumsleute im Ausland darüber, gelinde gesagt, erstaunt sind. Man sollte nicht den Untergang des Abendlandes heraufdämmern sehen, nur, weil sich eine Fernsehmoderatorin für einen Museumsposten bewirbt. Doch anscheinend leidet das Amt des Museumsdirektors/der Museumsdirektorin unter eklatanter Fehleinschätzung.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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