Werbung
,

Montags beim Papst: Rosenmontag beim Papst

Ob er in der Kölner Karnevals-Bütt mit Melkschemel oder Dreibein-Stuhl aufgetreten ist, lässt sich nicht belegen. Ergonomisch hätte das Ding funktioniert. Jedenfalls immer wieder am Rosenmontag traf sich seit Ende der fünfziger Jahre regelmäßig ein schräges Trüppchen Kölner Kreative und Querdenker beim Papst. Eine rosa Leiter, über die es durch ein Bodenloch im „Atelier für Industriedesign und Produktentwicklung“ in der Wohnung des Möbeldesigners Walter Papst zum Feiern in den Keller ging, gehört ebenso zu den Objekten einer Ausstellung im Kölner Museum für Angewandte Kunst wie eine große Trommel („de decke Trumm“), mit „der“ Papst den Rosenmontagszug kölsch rhythmisierte. Für einen Norddeutschen, der an der Kieler Muthesius Werkkunstschule studiert hatte, ist das nicht schlecht - und unter rheinländischen Gesichtspunkten der Ritterschlag. Die designerische Aktivphase des 1924 geborenen Walter Papst währte bis Mitte der siebziger Jahre. Ein designabgewandtes gewaltiges Denk- und Buchprojekt füllte den Rest seines Lebens, das 2008 in Köln endete. In dem Buch „Der Götterbaum“ (1997 ) ging es um den Schöpfungsort im Kosmos, die Weisheit der Majas, um Saturn und die Zukunft, all dies wenig erfolgreich, im damaligen Erfolgswindschatten Erich von Dänikens. Als Designer befindet sich Walter Papst im Aufbruchklima der fünfziger und plastik-poppigen sechziger Jahre, stilistisch zwischen den skandinavischen Möbelwellen eines Verner Panton und dem Purismus, der aus Bauhaus und Ulmer Schule resultiert. Bei Papst beginnt das Spektrum mit einer karg zusammengesteckten, indes ergonomisch genialen Dreibeinstuhl-Konstruktion, die er aus dem Melkschemel entwickelte. Dem gegenüber steht eine wannenartige Gartenbank aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Diese hielt 1961 im Stile eines naturnahen IKEA -Dauerbelastungstests im Ulmer Zoo sogar den Attacken eines Braunbären stand. Hingegen entschwand Papsts Strandkorb-Alternative, eine Art Kunstfaser-Schale, bereits nach der ersten steifen Brise als Armada aus weißen Mini-Jollen auf der Kieler Förde. In die Designgeschichte eingeschrieben hat Papst sich allerdings mit seinem Dreibeinstuhl, den man, lange vor ergonomischen Sitzball-Alternativen, mit der quasi Rückenlehne vor dem Bauch richtig nutzte. Als Schulmöbel wurde das Objekt sogar von Orthopäden 1955 wärmstens empfohlen, inklusive wissenschaftlichem Gutachten. Allerdings hatten andere Hersteller bei damaligen Schulbehörden eine Art Ankaufsmonopol. Der neue Werkstoff GFK (glasfaserverstärkter Kunststoff) ließ 1963 eine kunterbunte Schaukelplastik aus einem Guss für die lieben Kleinen entstehen. Übrigens baut Wilkhahn noch heute (oder wieder) sowohl den Dreibeinstuhl wie auch das Schaukelwesen, das mit etwas Fantasie „Pferd“ genannt werden kann – allerdings kinderkausicher ohne Leder-Schwänzchen. Apropos IKEA: das letzte Serien-Objekt Papsts, ein Stuhl namens „Munken“, entstand 1972 für die Selbstmontage-Schweden, kurz bevor diese, via Köttbuller und Billy-Regale, die globale Einrichtungswelt blaugelb markierten. Hinsichtlich des Ausstellungstitels hat Joachim Kardinal Meisner übrigens bislang noch nicht interveniert.
Mehr Texte von Roland Groß

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Montags beim Papst
19.01 - 21.03.2010

MAKK Museum für Angewandte Kunst Köln
50667 Köln, An der Rechtschule
Tel: +49 221-221-26735, Fax: +49 221-221-238 85
Email: mfak@stadt-koeln.de
http://www.museenkoeln.de/museum-fuer-angewandte-kunst/
Öffnungszeiten: Di-So 11-17


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: