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Peters Platten Party

Am 5. März 2004 war Peter Weibel sechzig geworden. Merve, Weibels Hausverlag, hatte zu diesem Anlass einen dicken Band voller Widmungen herausgegeben. Der Grazer Droschl-Verlag war mit einer Publikation hinterher gezogen, in der, herausgegeben von Christa Steinle, der Direktorin der Grazer Neuen Galerie, speziell Österreichs Literaten dem Grenzgänger ihre Aufwartung machen. Die Ausstellung, die die Neue Galerie dem Polyartisten damals widmete, hatte dann ihrerseits den Charakter einer Festschrift. Der Chefkurator, der Weibel seit vielen Jahren an diesem Haus ist, bekam sein Jubiläumsheft als Auftritt der eigenen Bilder. Fünf Jahre später hat es sich nicht vermeiden lassen, dass der Vielbeschäftigte 65 geworden ist. Was schenkt man also einem, der alles schon hat und alles schon weiß? Ein Symposion, gewiss, einen feierlichen Akt, ein Youtube-Video der Belegschaft seiner Karlsruher Wirkungsstätte ZKM und jetzt, schließlich geht es um nicht weniger als ein Gesamtkunstwerk, auch etwas zum Hören. Mit einer gewissen, sicherlich als Hommage an den Rastlosen zu verstehenden Verzögerung haben Margit Rosen und Herbert Kapfer vom ZKM eine drei CDs hohe Jubeledition herausgebracht, in der alles, was zu und von Weibel zu sagen ist, vernehmbar wird. CD eins versammelt Weibeliana aus dessen heroischer Phase, Konzepte und Kontexte aus der orthodoxen Künstlerzeit, die rezitiert und mit Inbrunst vorgetragen werden, als wären es Gedichte, die sie ja in Zeiten von Pop irgendwie auch sind. Allerlei Prominenz ist vors Mikrophon gebeten worden, Theoretiker wie Hans Belting, Volksbeglücker wie Hubert Burda, einschlägig Vorbelastete wie Constanze Ruhm oder Harald Falckenberg, und auch eine gewisse Elfriede Jelinek schürzt ihre Lippen zum geneigten Leseakt. Günter Brus hat es sich auch nicht nehmen lassen, und wenn er Weibels Zeile „Radioapparate als grausliche Insekten, welche die Welt erobern“ zum Vortrag bringt, glaubt man sich glatt in den alles fließenden Sechzigern. CD zwei bittet die Unvermeidlichen zum Defilee. Sloterdijk, Groys, Latour geben selbstgeprägtes auf den Jubilar Gemünztes zum Besten. Ecke Bonk dafür lässt eine Orgel in Odessa, immer noch Weibels Geburtsstadt, anschwellen, und Gerhard Rühm und seine Frau Monika Lichtenfeld singen ein Duett aus Diphtongen, der Mann immer rau ein „Au“, die Frau immer frei ein „ei“. Schön. Davor darf Weibel im Gespräch mit Alexander Kluge glaubhaft seinem Bedauern Ausdruck verleihen, dass ihm von den Millionen Jahren der Evolution nur einige Jahrzehnte zur eigenen Teilnahme daran vergönnt seien. CD drei schließlich frönt Weibel, auch das kann er, als Musiker. Hotel Morphila, die legendäre Band mit Loys Egg und Paul Braunsteiner an den Gitarren und Weibel am Stimmband, spielt auf, und es gibt allerlei Rhythmisch-Melodisches. Zwei schöne Adaptionen der ihrerseits legendären F.S.K. und der noch jungen Tanz Baby sind auf der CD, Amon Düül II gibt es immer noch, und Mani Neumeier, der Guru Guru – Guru, liefert eine wunderbare Hommage. Eine Zeile seines Stücks, Bezug nehmend auf einen Auftritt Weibels mit Valie Export, sei hier nicht vorenthalten: „Peter lässt sich voll Ekstasen/ auf der Bühne einen blasen.“ Weibel kann eben alles. Und die CDs, samt Bonus-Video-Beitrag von Erwin Wurm, machen es nachvollziehbar.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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