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Michael Kienzer vs Markus Wilfling: Der ultimative Schlagabtausch

Welchen Zweikampf, liefern sie sich die beiden Schwergewichte in der Darstellung transzendenter Gefüge, die bereits zum dritten Mal gegeneinander antreten, diesmal? Gleich eingangs tauscht Markus Wilfling mit einem überdimensionalen „Deckenstöpsel“ am Plafond, den Raum der gewöhnlichen Wahrnehmung, in einen der sich verflüchtigen könnte. Michael Kienzer folgt mit „Skizze Vol.14“, einer Skulptur aus drei übereinander gelagerten Aluminium-Rohren, die von 4 rot-blauen Radiergummis arretiert sind. Seine Auslotung der elementaren Kräfte erinnert an die Kreise, die Johannes Kepler zum Aufbau der Materie (1), im Prinzip der dichtesten Kugelpackung, skizziert hat. Nur scheinen sie bei Kienzer in eine Richtung beschleunigt und gleichzeitig zu Materie gefroren, eine modernere Auffassung davon zu reflektieren. Wilfling kontert mit einer Variation aus seiner „Alibert“-Serie. Diesmal ist der Badezimmer-Wandschrank in 8 Teile zersägt, die wie Bücher schräg gegeneinander gelehnt sind. Ist der Eingeweihte auf dem 8-fache Weg gescheitert, und mit seiner fragmentierten, gekippten, modernen Variante einer Psyche zum „Strange Alibert“ geworden? Daraufhin geht Kienzer mit seinem „Leitwerk“ in Führung: Eine weitere Versuchsanordnung von Alu-Rohr-Bausteinen mit stehender Platte in der Mitte, demonstriert das natürliche Bestreben nach höchstmöglicher Symmetrie. Wilfling pariert mit zwei gleich großen, ineinander verdrehten und auseinander gekippten, glaslosen, eisernen Fensterrahmen (250 x 50 x 50 cm) , die sich in einem elegantem Balance-Akt aus scheinbarer Bewegung gegenseitig stabilisieren. Damit überwindet seine „Stele“ tanzend die Schwerkraft, während Kienzers Skulptur am Boden liegt. Mit einer eisernen Gitter-Wand, die den großen Ausstellungsraum durchtrennt, gelingt Wilfling der nächste Schlag: Da sich mathematische „Gitter“ in Kreise überführen lassen, und das Prinzip der Dichte einer optimalen Kugelpackung von den dichtesten Gitterpackungen ableitbar ist, ergäbe an dieser Stelle die künstlerische Gleichung: Kienzer = Wilfling. Versteht man unter einem „Gitter“ die Menge aller ganzzahligen Linearkombinationen von unabhängigen Punkten im n-dimensionalen euklidischen Raum, so macht das Licht, das im Gitterprofil reflektiert, gespiegelt und verdoppelt wird, genau diese Linien sichtbar. Damit gelingt es Wilfling, aus einem gewöhnlichen Baugitter einen unendlich dimensionalen Raum zu erzeugen, der im Vorbeigehen den dahinter liegenden Raum verschließt. „Schatten und Spiegelobjekte sind ebenfalls ein Spiegelbild des Zustandes unserer Gesellschaft, nämlich der Phantomisierung. (...) die Wohnungen der Sammler sind überfüllt von verdoppelten Sitzmöbeln, Öfen, Duschen etc. die nicht benutzt werden dürfen.“(2) Hinter der Gitterwand steht ein ebensolcher, nutzloser, mit Pressspanplatten vollgestapelter Sessel von Kienzer. Die oberen vertikalen Bretter halten die unteren, horizontalen mit ihrem Druck in einer stabilen Lage, während bei seiner Wandskulptur „O.O.“ zwei Alu-Kreise, oberhalb, und unterhalb einer Leiste, nur von einem Gummiband eingefasst, schwebend im Gleichgewicht gehalten werden. - Handelt es sich um das Wohnzimmer, einer in hermetischer Illusion lebenden Gesellschaft, deren kritische Masse leicht ins Rutschen geraten könnte? Im Lager kommt es zum finalen Schlagabtausch: Kienzer schreibt in vielschichtig übereinander gelagerten Buchstaben die Worte „EPHEMER“ und „NOCH IMMER“ in Glas-Kästen an die Wand. Dazu tanzt im Video von Wilfling eine Schnake, mit Stromleitungen im Hintergrund, gegen eine Glasscheibe an. Diese Barriere liegt jenseits ihrer, seit 400 Millionen Jahren geprägten, Wirklichkeit, wogegen sich die 40.000 Jahre des Homo sapiens sapiens als ephemer ausnehmen. Sie scheitert an einer künstlichen und lebensfeindlichen, zur Materie gewordenen Illusion, die ihr den Weg in die Zukunft verstellt- und Kienzers Worte werden zum Menetekel für das bevorstehende kollektive Knock-out.
Mehr Texte von Renate Quehenberger

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Michael Kienzer vs Markus Wilfling
18.11.2009 - 30.01.2010

Projektraum Viktor Bucher
1020 Wien, Praterstraße 13/1/2
Tel: +43 676 561 988 0
Email: projektraum@sil.at
http://www.projektraum.at
Öffnungszeiten: Di-Fr 14-19, Sa 11-15 h und nach tel. Vereinbarung


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