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Mörderisches Genie-Konzept

Die Verlagsmeldung, die Birgit Schwarz‘ Publikation über Adolf Hitlers Kunstverständnis ankündigt, trägt etwas dick auf: „Das romantische Geniekonzept, das sich längst ideologisiert und mit nationalistischen, rassistischen und antisemitischen Inhalten aufgeladen hatte“, so teilt Böhlau mit, „bildete die Basis seiner Weltanschauung und Selbstkonzeption als ‚Führer‘, Künstler-Politiker und Stratege“. Schwarz selbst formuliert in ihrem Vorwort zu „Geniewahn: Hitler und die Kunst“ nicht weniger pointiert: „Mit einer radikalisierten rassistischen und antisemitischen Genielehre begründete Hitler sowohl die Herrschaft des Ariers als auch seine mörderische Judenpolitik.“ Mit dieser – gewagt scheinenden – Ansicht werden sich die Geschichtswissenschaften noch auseinandersetzen müssen. Tatsache ist jedoch, dass Schwarz einen bislang vernachlässigten Aspekt in Hitlers Geisteswelt behandelt – und ihre Argumente überzeugend darlegt. Hitler, so führt sie aus, habe sich gerade durch seine Ablehnung an der Akademie der bildenden Künste ein Selbstbild als „verkanntes Genie“ zurechtgezimmert; damit legitimierte er in Folge – mit einer Ausweitung des Geniebegriffs auf die Politik – auch sein mörderisches Regime. In ihrer Publikation belegt Schwarz ihre diskussionswürdige Erkenntnis mit einer gewaltigen Fülle an Material; bekannte Fakten wie etwa Hitlers Linz-Pläne, die in einem solchen Buch nicht fehlen dürfen, addiert sie mit neu bearbeiteten Dokumenten zu einem letztlich stringenten Gesamtbild – so schildert sie etwa, wie sich ein renommierter und des NS-Sympathisantentums unverdächtiger italienischer Kunsthistoriker von Hitlers Kunstinteresse beeindruckt zeigte, mit welchen Bilder und Skulpturen sich der „Führer“ privat umgab, oder wie er Friedrich den Großen, seiner Meinung nach ein Genie, in Äußerlichkeiten imitierte. Mag Schwarz‘ These zunächst spekulativ und allzu kühn erscheinen, so ist sie durch die akribische Recherche allfälligen Skeptikern gegenüber gut gewappnet. Fazit: Ein Idealfall kunsthistorischer Forschung, dicht belegt und spannend geschrieben.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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