
Nina Schedlmayer,
Chasing Napoleon: Rubiks Cube
Wer schon immer einmal wissen wollte, was der Unabomber so gelesen hat, der sollte demnächst das Palais de Tokyo aufsuchen. Dora Winter hat dort dessen Bibliothek rekonstruiert – Bücher zu den Themen „Women’s Psychology“ oder „Edible Wild Plants“, Albert Speers „Spandau“ oder auch Leo Tolstois „Die Kosaken“ kann man sich bei Interesse, auf den Spuren des Terroristen sozusagen, zur Lektüre vorlegen lassen.
Die Figur des Ted Kaczynski bildet, so scheint zumindest die Absicht dahinter, das Kernstück der Ausstellung „Chasing Napoleon“ in den großzügigen Räumlichkeiten des als EXPO-Pavillon geplanten Gebäudes, kuratiert von Hausherr Marc-Olivier Wahler. Weitere Arbeiten gehen anderen Aspekten des Daseins des ehemaligen Mathematikprofessors, der die USA Jahrzehnte lang in Atem hielt, auf den Grund: Robert Kusmirowski hat die Hütte nachgebaut, in der er seine Briefbomben und sein Manifest erdachte; Gardar Eide Einarsson präsentiert, wenn auch etwas uninspiriert, sein Fahndungsfoto, oder, etwas spannender, seine Notizen, die detailliert seine Vorgehensweise auflisten.
Die Geschichte Kaczynskis dient jedoch nur als Aufhänger einer weiter gefassten Auseinandersetzung – und an dieser Stelle wird alles etwas verschwommen – mit Flucht im Allgemeinen und Eskapismus im Speziellen, vielleicht aber auch noch etwas anderem und noch mehr. Nachvollziehbar erscheinen in diesem Kontext etwa die psychodelischen Kunst-Naturwissenschaft-Esoterik-Diagramme von Paul Laffoley, oder aber Christoph Büchels Nachbau von Saddam Husseins Versteck. Sogar Ryan Ganders bodennahes Wand-Loch, das den Blick auf die Pflanzen draußen freigibt, wirkt da noch stimmig.
Doch irgendwie ist es mit dieser Ausstellung wie bei Rubiks Cube: Jedesmal, wenn man sich dem Ziel nahe sieht, passt wieder etwas nicht. Einmal verweigert sich Tony Smiths Rhomboid dem Gesamtkonzept, dann wieder gibt es ein Problem mit Tony Matellis brennenden Keramik-Fünfhundertern. Immerhin aber wird man ermuntert, das Ganze ständig zu drehen und zu wenden – was auch nicht so verkehrt ist.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

Chasing Napoleon
16.10.2009 - 17.01.2010
Palais de Tokyo
75116 Paris, 13 avenue du président Wilson
Tel: +33-1-4723 5401, Fax: +33-1-4720 1531
Email: cotact@palaisdetokyo.com
http://www.palaisdetokyo.com
16.10.2009 - 17.01.2010
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