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Thomas Jessen - Die Gemalten: Voyeur

Voyeurismus ist eine beziehungslose, narzisstische Form der Erotik. Ohne Risiko, aus sicherer Distanz wird der eigene Trieb befriedigt. Kunst, die dem entgegenkommt, ist ungustiös. \"Die Gemalten\" von Thomas Jessen, die momentan im Volpinum zu sehen sind, haben exakt diese Ausstrahlung. Im gefälligen Gewand eines opulent gemalten, historisierenden Stils, in naturgetreuer, figurativer Darstellung halten einem hier in auffälliger Anhäufung weibliche Akte ihre Geschlechtsteile entgegen. Der Hinweis des Künstlers, die Frauen hätten sowohl Position als auch Nacktheit selbst gewählt, macht die Sache nur schlimmer. Der gekonnte Voyeur verbirgt sich, kaschiert seine Absicht hinter dem scheinbar Normalen. Diese Strategie verfolgt auch Jessen: \"Fotoschatten\" nennt er einen Zyklus seiner Nakedeien. Es gibt malerisch umgesetzte Verweise auf die 1912 entstandenen historischen Porträts von E. J. Bellocq. Wohlwollende Voyeure können daraus eine Auseinandersetzung zwischen Malerei und Fotografie konstruieren. Dieselbe Malerei präsentiert sich unter Glas wie Fotografie. Gerahmt sind die meisten Arbeiten mit dem Trompe l\Oeil einer plastischen Mauer oder eines Sockels, auf dem die Nackten posieren. Spießig, akribisch genau sind diese rahmenden, gemalten Architekturen in Ziegel und Fliesen zerteilt. Täuschung über Täuschung, und trotzdem nicht genug. Das eigentliche Zentrum dieser Arbeiten ist und bleibt, wohin der Blick ungehindert und beinahe zwangsläufig fallen muss: Das weibliche Geschlecht. \"Hautnah\" sehen und zeigen will Jessen, schreibt der Pressetext. Das gelingt. Selbst, wenn Jessen das erotische Sujet vordergründig ausklammert, strahlen die Bilder latente Perversion aus. Die blassen Knaben, die hier in moosig verschwommener Atmosphäre stehen, wirken nie kindlich unschuldig, sondern immer rätselhaft wissend. Das alles ist in traditioneller Malerei unverblümt dargestellt - passend für einen bürgerlichen Salon. Der Voyeur hat seine Freude: Er kann sich hinter Kunst verstecken. Die Freude, darüber zu schweigen, machen wir ihm nicht.
Mehr Texte von Isabella Marboe

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Thomas Jessen - Die Gemalten
31.05 - 12.10.2002

Volpinum
1180 Wien, Theresienstraße 25-27
http://www.volpinum.com
Öffnungszeiten: Do-Sa 14-18.00 Uhr


Ihre Meinung

2 Postings in diesem Forum
Voyeur, Schublade auf und.....
Michael Schmalfuß, | 03.07.2002 04:51 | antworten
So einfach ist es! Wir alle wissen, dass wir das sehen was wir sehen wollen. So auch in diesen Fall, wo Isabella Marboe, (leider erfährt der Leser auf den Internetseiten nirgends wer das ist) es sich einfach macht, in die Mottekiste greift und nach oberflächlicher Recherche ihr Urteil fällt: Voyeurismus. Abgesehen davon, dass es den Anschein hat, dass sich Frau Marboe nur einen Teil der Ausstellung angesehen hat, oder Teile ausklammert damit alles in die ausgewählte Schublade passt, scheint sie generell Probleme mit gegenständlicher/figurativer Malerei zu haben. Naturgetreue figurative Malerei bezeichnet sie als akribisch und spießig. So hat sie sich zum Beispiel nicht bemüht das malerische in den Arbeiten von Thomas Jessen zu sehen. Malerei hinter Glas findet man/frau übrigens auch nicht in der Ausstellung. Ihre Bezeichnung (Schublade) traditionelle Malerei an sich bekommt bei der Schreiberin schon einen schalen Beigeschmack verpasst. Hat sie da (neue) Tendenzen in der zeitgenössischen Kunst verschlafen? Hält sie dogmatisch fest an einen überholten Begriff \"moderner\" Malerei die einen möglichst hohen Abstraktionsgrad besitzen muss um inhaltlich ehrlich und wahrhaftig zu sein. So wundert`s auch nicht, dass sie sich nicht auf das Thema des Malers einlässt. Es geht zum einen um das was die Malerei leisten, bzw. die Fotografie nicht leisten kann. Und es geht um Sexualität und Geschlecht, es geht hier unter anderem um die Wandlung von der Frau als Objekt (siehe die 1912 entstandenen historischen Porträts von Prostituierten von E. J. Bellocq) und der Frau als selbstbestimmendes zu ihrem Geschlecht und ihrer Sexualität stehendes Wesen (siehe selbstgewählte und selbstbewusste Pose der Modelle). Darüber ließe sich trefflich diskutieren wenn man den Mut aufbringen und die Scheuklappen beiseite legen könnte. Im Übrigen gilt auch hier: Honi soit qui mali pense, gezeichnet ein “wohlwollender Voyeur“, der übrigens jedem richtigen Voyeur im Gegensatz zu Frau Isabella Marboe empfiehlt diese Ausstellung zu meiden, da er nicht das finden wird was sie gesehen hat und ihm verspricht. Dem kunstinteressierte Betrachter, der auch mal querdenken will, dem sei dies faszinierende Ausstellung empfohlen. P.S. gibt es bei Ihnen ein Leserforum? M. Schmalfuß,D-35041 Marburg, Oberer Eichweg 29 Tel/fax +49 (0)6421 590950
Ergänzung
M. Schmalfuß | 03.07.2002 04:58 | antworten
Ich merke gerade, dass das Leserforum fantastisch funktioniert .

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