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1989. Ende der Geschichte oder Beginn der Zukunft? Anmerkungen zum Epochenbruch: Zerbrochen und mit Narben gekittet

Mit Flucht, Aufständen und Hinrichtungen begannen und endeten die 1980er Jahre. Der Vorhang hebt sich und die Wiederkehr des Verdrängten ist wieder deutlich erkennbar. Der Begriff „Eiserner Vorhang“ stammt aus der Theatersprache und symbolisiert eine dem Brandschutz dienende Trennwand zwischen Publikum und Bühne. Er wurde von der Politik negativ übernommen. Denn die unterschiedlichen politischen Systeme trennten sich nicht nur voneinander, sondern die östlichen Staaten ließen auch ihre Bevölkerungen wirtschaftlich fast veröden. 1989 war das Wendejahr, Berliner Mauerfall inklusive, 15 Jahre später folgten die Osterweiterung der Europäischen Union und einige merkbare Veränderungen in den Hierarchien von Nationalstaaten in Zentraleuropa. Der für den historischen Teil der Ausstellung „1989. Ende der Geschichte oder Beginn der Zukunft?“ verantwortliche Kurator Oliver Rathkolb sieht die Besonderheit des Jahres darin, dass es „das einzige Jahr im 20. Jahrhundert“ gewesen sei, in dem die politischen Entscheidungsträger „jede Kontrolle über die Ereignisse verloren hatten“. HistorikerInnen haben eine große Tendenz zur Abstraktion. Die einzelnen Lebensschicksale gehen oft verloren. In der Ausstellung wird deshalb „Gegengeschichte“ gezeigt - ein „Aufriss des kulturellen Gedächtnisses“, wie Rathkolb betont. Die Codes und Gestalten, Gesichter, Landschaften, Körper der ehemaligen Ostblockstaaten werden von zeitgenössischen KünstlerInnen ironisch, ebenso wie tragisch verarbeitet. Zentrales Element der geschichtlichen und künstlerischen Teile der Schau ist die Aussage, dass Aufbruch und Wende für viele Beteiligten plötzlich und überraschend passierten. Ein Highlight sicherlich ist die 160 m2 einnehmende Installation „Das große Archiv" von Ilya und Emilia Kabakov, ein klaustrophobisches Denkmal des überadministrierten Planwirtschaftsstaates, das die Sinnentleertheit nicht nur der Ost-Bürokratie eindrucksvoll vorführt. Apparate der Überwachung sowie Ironie und Tragik des Alltages, als Topoi, werden filmisch und fotografisch unter dem Begriff „Case History“ von Boris Mikhailov, Marek Piwowski als auch Jane und Louise Wilson wundervoll dargestellt. Marcel Odenbach lenkt mit der Videoarbeit „Niemand ist mehr dort, wo er anfing“ den Fokus auf den Niedergang der Berliner Mauer. Anna Jermolaewa wirkt engagiert bei dem Versuch, ihren eigenen Lebensweg in ihrer Videoarbeit aufzuzeichnen, aber begibt sich wie in einigen ihrer Arbeiten in eine Endlosschleife. Alexander Kosolapov zeigt, wie kapitalistische Markenzeichen subversiv plankapitalistische Symbole unterwanderten. Die plötzliche Geschichtsbruch und die Funktionalisierung des Menschen beim Wechsel von einem gleichförmigen kommunistischen zu einem pluralistisch-kapitalistischen Paradigma steht im Zentrum der durchaus gelungenen Ausstellung. Die Thematik selbst hätte sich jedoch ein eigenes Museum verdient.
Mehr Texte von Alexander Lass

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1989. Ende der Geschichte oder Beginn der Zukunft? Anmerkungen zum Epochenbruch
09.10.2009 - 07.02.2010

Kunsthalle Wien Museumsquartier
1070 Wien, Museumsplatz 1
Tel: +43 1 521 89-0
Email: office@kunsthallewien.at
http://www.kunsthallewien.at
Öffnungszeiten: Di-So 10-19, Do 11-21 h


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