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Thomas Demand - Presidency. Embassy: Gefälschte Geschichte

Die Mumok Factory zeigt derzeit die fotografischen Werke „Presidency“ (2008) und „Embassy“ (2007) des renommierten deutschen Künstler Thomas Demand. Die kleine Schau nimmt Bezug auf weitere Ausstellungen des 45 jährigen „Bildhauers“ und Fotografen, der mit der großen Einzelausstellung „Nationalgalerie“ derzeit im Mies van der Rohe Bau in Berlin vertreten und an einer Ausstellung im Palazzo Strozzi in Florenz beteiligt ist. „Presidency“ zeigt in fünf großformatigen Foto-Tableaus das Interieur des „Oval Office“ im Weißen Haus akkurat aufgeräumt und entseelt. Demand lässt den Betrachter, wie bei einer Touristenführung durch das Weiße Haus, ungenierte Blicke in die Schaltstelle der Macht werfen. Bei näherer Betrachtung irritieren aber seine Fotografien. So kann man an der Lampe Klebespuren entdecken, auch der Schalter scheint im nachhinein aufgeklebt. Mit diesen Beobachtungen ist der Rezipient Demands Kunstwollen zweifelsohne auf der Spur, denn das Oval Office entpuppt sich als Potemkinsches Dorf. Denn Demand baut maßstabsgetreu das Original aus Papier und Pappe nach, fotografiert es und vernichtet danach die Pappkullisse. Übrig bleiben lediglich groß aufgezogene Fotografien. Seine Bildmotive findet Demand meist in Printmedien. Er bedient sich der dortigen Reportagefotografie oder setzt sich mit Bildikonen des kollektiven Wissens auseinander. Im Falle des Oval Office war es der umgekehrte Weg. Am Anfang stand nicht ein Zeitungsfoto, sondern der Auftrag vom New York Times Magazine das Office im Demandschen Verfahren darzustellen. Fünf Tage nach der Präsidentschaftswahl 2008 sollten Demands Installationsfotografien von einem der heißesten Plätze der Macht als Coverstory im NY Times Magazine erscheinen. Dass es Demand nicht nur um die kindliche Lust des Nachbauens sondern auch um das individuelle Erfahren von Gewesenem, eine gewisse Historizität und deren künstlerische Paraphrasierung geht, erklärt Demand an Hand der Fotografie vom ausgebombten Hitler Hauptquartier. So meinte er zu dem sich Bewegen im Inneren der Modelle:“Wenn ich ihnen herumlaufe fühle ich mich irgendwie aus dem Lot. Man versetzt sich in eine Zeit und an einen Ort, wo man eigentlich nie gewesen sein könnte.“(1) Manchmal aber tritt Demand auch aktiver ins Geschehen. So bei seiner zweiten Arbeit im Mumok: „Embassy". Hier dokumentierte Demand die Botschaft der Republik Niger in Rom, woraus 2001 Stempel, Briefpapier und Siegel der Botschaft gestohlen wurden, die kurze Zeit später Dokumente zierten, die den Ankauf von angereichertem Uran durch Saddam Hussein bestätigen sollten. Diese Dokumente wurden dann trotz Fälschungsverdachts seitens der UNO von George W. Bush als Grund für einen Krieg gegen den Irak verwendet. Da keine Fotografien von der nigerianischen Botschaft existierten verschaffte sich Demand Zutritt zur Botschaft und gestaltete die Innenräume aus dem Gedächtnis. Das Endprodukt von „Embassy“, die neun Fototafeln, ergeben so wie das Oval Office einen entleerten und verlassenen Eindruck von historischer Site Specify.
Mehr Texte von Susanne Rohringer

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Thomas Demand - Presidency. Embassy
26.09 - 29.11.2009

mumok - Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien
1070 Wien, Museumsquartier, Museumsplatz 1
Tel: +43 1 52 500, Fax: +43 1 52 500 13 00
Email: info@mumok.at
http://www.mumok.at
Öffnungszeiten: Täglich: 10.00–18.00 Uhr, Do: 10.00–21.00 Uhr


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