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Cineplex. Experimentalfilme aus Österreich: Im Projektionsraum der Neuen Filmkunst

Gut, dass der Untertitel „Experimentalfilm aus Österreich“ wegen seines anachronistischen Beigeschmacks irritiert. Gut ist auch, dass für CINEPLEX weite Teile der Wiener Secession voll gestellt sind mit von außen trivial wirkenden schwarzen Kisten für Video oder DVD. In Parametern von Ausstellungsarchitektur gedacht werden diese Überraschungskabinen für Medienpräsentationen gewöhnlich als Höhepunkte ideenfreier Gestaltung kommentarlos hingenommen. Hier dagegen fungieren sie als Statement. So werden ein paar Quadratmeter Normalzustand hergestellt, indem filmische Produktionsverfahren Raum erhalten, die im sich bloß von Sensation zu Sensation weiter schwingenden Kunstbetrieb bis dato immer noch unterbelichtet blieben. Freilich: Die KünstlerInnen sind nicht unbekannt. Norbert Pfaffenbichler als Medienkünstler und Kurator von Ausstellungen wie „Abstraction Now“ ebenso wenig wie die in Linz lehrende Filmkünstlerin und Architektin Lotte Schreiber. Oder: Dariusz Kowalski. In Österreich war er zuletzt im Kunsthaus Graz mit seiner Installation „Interrogation Room“ vertreten. Formal unterschiedlich gelöst untersuchte er dort Blickregime in Befragungssituationen. Der Film und Videokünstler Dietmar Offenhuber und die Medienkünstlerin Annja Krautgasser wiederum beschäftigen sich mit Architekturen des Virtuellen, mit Abstraktionen und Visualisierungen von unsichtbaren Koordinatensystemen im Internet oder im virtuellen 3-D Raum. Weil sie jedoch in Zwischenfeldern agieren, wurden ihre Werke noch nie gemeinsam als Konzentrat präsentiert. Zahlreiche davon kommen aus dem Diskurs der Medienkunst. Oder gar aus jenem der Architektur. Sie fokussieren Fragen der Wahrnehmung im postmedialen Zeitalter oder verfolgen die Spuren von Bedeutungsformationen. Von historischen Schichtungen oder von erweiterten Geografien des Blicks, die sich über virtuelle Topografien des Internets konstituieren. Oder schlicht über Transformationsprozesse im digitalen Zwischendeck des Computers. Dariusz Kowalski verwendet für „Optical Vacuum“ (2008) per Internet verfügbare Webcam–Bilder, die er so zusammenfügt, dass das fragmentarisch aufflackernde Narrative, sich wieder egalisiert. Die Andeutung einer virtuellen Parallelwelt, die unentwegt von den digitalen Apparaten aufgezeichnet oder übertragen wird. Aus dem Off hörbar eine Tagebuch-Stimme. Im akusmatischen Raum sprechend auf der Suche nach Selbstvergewisserung. Während sich das Weiterlaufen der Bilder allmählich ins Unerbittliche steigert. Hier liegt die Spannung. In der Frage, wer eigentlich spricht, und aus welcher Position die Stimme anhebt. In ihrem grandiosen Film „BORGATE“ (2008) tastet Lotte Schreiber die ins Ruinöse des entmenscht Ornamentalen kippenden Oberflächen des römischen Neubauviertels Don Bosco nahe der Cinecitta ab. Überlagert von Originalstimmen aus Fellinis La Dolce Vita (1960) und Pasolinis Mamma Roma (1962). Beide Filme wurden auf dem Gebiet dieser noch unter Mussolini geplanten und dann in den Nachkriegsjahren errichteten Siedlung gedreht. Ein Zeugnis dafür, wie die von Anfang an düstere Seite der Moderne ins existentiell Trostlose kippt. Oder Thema Abstraktion? Mit Dietmar Offenhuber. Auf Basis von Ausschnitten aus Stanley Kubricks Erste Weltkriegs Drama „Path of Glory“ (1957) zeichnet er eine Kamerafahrt im Schützengraben als Pixelsequenz nach. Norbert Pfaffenbichler wiederum – gemeinsam mit Lotte Schreiber Kurator dieser wichtigen Ausstellung – bezieht sich in „Notes on Film 02“ (2005) auf Robert Franks Film „O.K. End Here“ (1963). Er thematisiert die Wiederholung, die repetitiven Strukturen, die der Komposition via Laufbild in der Produktion inhärent sind. Dies beginnt beim Text, der immer wieder neu gesprochen und auswendig gelernt wird. Die Basics des Films als Metafilm. Sämtliche Produktionen der Ausstellung sind also medienreflexiv. Oder: Post-kinematografisch. Der „Film“ selbst ist eines der Themen. Doch nur im Subtext. Es werden dessen Strukturen verhandelt. Ebenso wie digital generierte Werke in die Ebene des Films transformiert werden. Genau durch dieses Befragen, Unterlaufen und Auflösen von Begriffen und Genres wird auf ästhetischer Ebene ein Normalzustand hergestellt. Während allerorts nämlich die verschiedensten Themen zu Headlines gemacht und alle möglichen große Namen ins Spiel gebracht, ja, neuerdings sämtliche Länder und Regionen der Welt abgetastet werden, geht es in der Wiener Secession nämlich konsequent um Kunstbegriffe der Gegenwart.
Mehr Texte von Roland Schöny

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Cineplex. Experimentalfilme aus Österreich
11.09 - 08.11.2009

Secession
1010 Wien, Friedrichstrasse 12
Tel: +43 1 587 53 07, Fax: +43 1 587 53 07-34
Email: office@secession.at
http://www.secession.at
Öffnungszeiten: Di-So 14-18 h


Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Geht es um einen Satz also im Satz - oder... ***
KritikKritik | 30.10.2009 09:19 | antworten
"Während allerorts nämlich die verschiedensten Themen zu Headlines gemacht und alle möglichen große Namen ins Spiel gebracht, ja, neuerdings sämtliche Länder und Regionen der Welt abgetastet werden, geht es in der Wiener Secession nämlich konsequent um Kunstbegriffe der Gegenwart." *** ...soll dieser Satz etwas aussagen?

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