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Wim, Wum, Wendelin und das Kunstwerk als ganz besondere Ware

In den 70ern war es eine der beliebtesten Fernsehshows in Deutschland: „Der große Preis“ mit Wim Thoelke. Beträge konnte man da gewinnen, mit denen man heute zu einer Kunstauktion gar nicht anzureisen bräuchte, die zu verdienen einen Künstler damals aber noch verdächtig gemacht hätten. Die Zeiten haben sich geändert. Das Thoelke-Quiz dient Isabelle Graw, Herausgeberin der Zeitschrift Texte zur Kunst, als Titelgeber, um die Veränderungen im Kunstfeld durchzubuchstabieren: Gute Kunst darf heute teuer und gute Künstler dürfen reich sein, und nicht selten glaubt das Feuilleton sogar, was bei Warhol noch als Versuchsanordnung und den Bankangestellten nie in Frage stand: Dass Größe den Marktwert und Marktwert die Qualität von Kunst ausmachten. Graw wendet in ihrer ausführlich auf Pierre Bourdieu rekurrierenden Studie sehr richtig ein, dass der Preis des Kunstwerks sich ohne Anpreisung durch Museum, Galerien und Kunstkritik nicht bestimmen ließe. Die Kunstfeldinstitutionen müssen den Gegenstand weihen, ihm „symbolische Bedeutung“ verschaffen, damit die große Kunst vom kleinen Flohmarktbild zu unterscheiden ist. Das Kunstwerk, das zeigt Graw sehr eindringlich, ist zwar eine Ware, aber keine wie jede andere. Umgekehrt sind die Künstlerinnen und Künstler aber auch nicht automatisch Antikapitalisten. Schon der Sozialist Courbet wusste laut Graw seine Bilder gut zu verkaufen und selbst sein politisches Engagement gewinnbringend zu investieren. Ob dies ein Argument gegen die von Bourdieu behauptete „relative Autonomie“ des Symbol- vom Marktwert und letztlich der Kunst von der Ökonomie ist, wie Graw meint, wäre zu diskutieren. Das Buch versteht sich als theoretischer Einsatz ebenso wie als Bestandsaufnahme der Mechanismen des gegenwärtigen Kunstfeldes. In beiderlei Hinsicht funktioniert es bestens. Man muss nicht mit allen Thesen einverstanden sein – die Behauptung beispielsweise, die Angleichung der Kunst- an die Mode- und Celebrity-Welt führe die bisher der Moderne zugerechnete Ausdifferenzierung sozialer Systeme an ihr Ende, also zu einer „Entdifferenzierung“ (Graw), kann zumindest als gewagte Verallgemeinerung gelten. Und nicht mit allen Beispielen glücklich (z.B. Prince vs. Currin). Auch sind die „Handlungsräume der Kritik“, um die es Graw nicht zuletzt geht, bereits durchaus feldübergreifender diskutiert worden. Dennoch liegt mit „Der große Preis“ ein sehr gutes Buch vor, das so manche wohl gehegte Illusion über den – bei Graw in „Visualität und Bedeutung produzierende Industrie“ umgetauften – Kunstbetrieb zu entzaubern weiß. „Der große Preis“ hätte die Ehre verdient, wie früher von Loriots Wum & Wendelin angepriesen zu werden!
Mehr Texte von Jens Kastner

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