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Chalo! India: Ghandis Finger

Trotz gegenteiliger Verlautbarungen ist ein Ende des derzeitigen Indien-Hypes noch nicht in greifbarer Nähe: Nach Ausstellungen in der Serpentine Gallery und im Kunsthaus Bern werden in den nächsten Jahren auch das Centre Pompidou und das LACMA indische Kunst zeigen. In Österreich nimmt das Essl Museum in der Kategorie geografisch begrenzter Ausstellungen wieder mal Vorreiterrolle ein: Wie schon zuvor bei der Leipziger Schule und der Kunst aus China ist Essl nun der erste, der indische Kunst groß angelegt präsentiert. Die Diskussion bei derartigen Projekten dreht sich stets darum, was denn für die Kunst aus der jeweiligen Weltregion denn nun „typisch“ sei; selbst nicht ganz frei von Klischeevorstellungen, begibt man sich denn auf die Suche nach vermeintlichen kulturell spezifischen Charakteristika. Im Essl Museum – die Ausstellung wurde teilweise vom Mori Art Museum in Tokyo übernommen – begegnet man stereotypen Vorstellungen zunächst mit offenen Armen: Schon das Plakat, eine freilich persiflierende Selbstinszenierung von Pushpamala N., spricht auf Klischees an. Betritt man die Ausstellung, so stößt man als erstes auf den spermienübersäten erschöpften Elefanten von Bharti Kher und deren abstrakten, kräftig leuchtenden Kreis aus tausenden Bindis; weiter geht es mit den teils begehbaren Schreinen von Gulammodhammed Sheikh, der die kulturelle Hybridisierung des Subkontinents abfeiert, mit Figuren aus verschiedenen Religionen, basierend auf der mittelalterlichen Mappa Mundi. Der Umgang mit kulturellen Zuschreibungen, so zeigt sich schnell, ist freilich ein weitgehend kritischer – von einigen Ausnahmen wie Jagannth Pandas prachtvollem Pfau, der auf den „Nationalvogel“ Indiens anspielt, vielleicht mal abgesehen: Ashim Purkayastha lässt etwa Mahatma Ghandi auf seinen Briefmarken den Mittelfinger zeigen, Pushpamala N. posiert grinsend als Göttin Lakshmi, und wenn Tushar Joag ein Denkmal in Mumbai reproduziert und an denkbar schlecht für Monumente geeigneten Orten aufstellt, so nimmt er dieses wohl auch nicht ganz ernst. Andere entwickeln urbane Utopien, bauen Auto-Rikschas aus künstlichen Knochen, amalgamieren indische Brautpaare mit Ikonen der europäisch-amerikanischen Kunst- und Filmgeschichte. Dass man die Arbeiten nach bestimmten Themen gruppiert hat, ist zumindest eine Maßnahme gegen die absolute Beliebigkeit. Dennoch bleibt die Ausstellung aufgrund des Pluralismus ihrer Positionen etwas vage – doch das ist, möchte man doch einen „ersten Überblick“ über ein in Europa noch weitgehend unbekanntes künstlerisches Territorium bieten, vielleicht nicht einmal der schlechteste Ansatz.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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Chalo! India
02.09 - 01.11.2009

Essl Museum
3400 Klosterneuburg, An der Donau-Au 1
Tel: +43-2243-370 50 150
http://www.essl.museum
Öffnungszeiten: geschlossen


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