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Spielball für die Kunst

„Die gleiche Prozedur wie jedes Jahr,“ aber verkündete die zahlenmäßig und augenfällig doch eher geschrumpfte Dienerschaft mehrerer, gerade noch zahlungsfähiger Herren und gab mit einem nur mehr protokollgemäß über die Lippen gehenden Trink- und Sinnspruch den Ball frei für das „Spiel der Mächtigen“. Festspielzeit in Salzburg im Jahr Eins der Alle und Eines einenden Krise. Und eines nicht ganz so behutsam um sich greifenden Stornos aller Arten... „Konzentration auf das Wesentliche“, heißt es allerorten und aus den bekannten Gründen. Und – Bitte! - wieder etwas mehr Mozart, wie es die Festspiel-Präsidentin dereinst gefordert hatte. Symptomatisch für eine generelle Verunsicherung, und wie sie sich, in den Befindlichkeiten des Mittelstands, als Apathie äußert? Das „Ende der Vorstellung“ (Margarita Broich)? Oder verharrt man in den eigentlichen Hochzeiten der Touristenfalle Kunst und Kultur nur in der ruhig gestellten Anspannung vor dem (An-)Sturm des Quotenbringers Ernst-Ludwig Kirchner (ab Ende Oktober im MdM Mönchsberg)? Hier ein erster Rundgang zu einigen Highlights der Ausstellungen in Salzburg: Licht aus! Eine neuerliches Hintertürchen im zusehends unübersichtlicher werdenden Treiben in den Treibhäusern und Auktionshäusern der Kunst scheint sich Georg Baselitz mit der Werkgruppe der „Verdunkelung“ (Galerie Thaddaeus Ropac) offen zu halten. Respektive aufzustoßen. Die Farbe, und wie sie sich noch so virtuos in seinen Remix-Bildern verbreitet hatte, bleibt erst einmal außen vor. Oder an den Rand gedrängt, dem zeichnerischen Duktus untergeordnet. In der Reduktion auf das, nun allerdings weit gefasste Spektrum zwischen verschatteten Grautönen und einem farblich modulierten Weiß. Baselitz als Zeichner des Großen. Im Großen. Mit Blick auf das Ganze (seines Werks?): In der Wiederaufnahme markttechnisch bestens bewährter Modelle und Motive. Gedreht wie gewendet. In die Nachtschattengewächse des Negativen gekehrt. Verkehrt, und dann: Licht aus! Das Gleiche – jetzt noch einmal anders. Ganz anders. Mit den erschreckend perfekt gesetzten Gesten des Suchenden. Der sich selbst locker aus dem gelenken Handgelenk geschlenzte Spritzer erlaubt. Ströme des Unterbewussten, allein der Schwerkraft – oder gegen sie rebellierend - verpflichtet. Nur ihren Anziehungskräften und Anzüglichkeiten überantwortet. Nichts als Malerei, eingespannt und zerrieben in der „Diktatur der Kunst“ (J. Meese)..., Nach Neda ... und immer mit der Option des Scheiterns. Wenn ihr die wirkliche Welt unvermittelt zu vehement ins Gehege kommt. Brennpunkt Iran, und wie er sich in einer jüngeren Generation von KünstlerInnen („Raad O Bargh“ im Kunstraum Deutsche Bank) entdecken lässt. Nach dem globalisierten Sterben von Neda Agha-Soltan vor laufender Handy-Kamera und ihrer Stilisierung zum Symbol des Widerstands muss aber jede irgendwie und sowieso künstlerisch ausgestaltete „Aussage“ verblassen. Die „Realität“ kommt ganz ohne den aufgeputzten Charme aus der soft politisierenden Ethno-Schatulle aus. In nur 37 Sekunden der Qual. Hinter denen der so kunstvoll wie dekorativ gewobene Schleier des Exotischen zerreißen muss. Der Tod in Venedig, Version 2001 Zwischen gelagert in der per se bedrückenden, so knapp wie optimal bemessenen Minimaldefinition eines „Ausstellungsraumes“ und eines beengenden Volumens von 0,6 Kubikmetern, aber lauert die wohl eindrücklichste Ausstellung der Festspiele 2009. „u r 6 Wunderkammer 1989 / eingemauert 1989“ ist die auf die ärmlichsten Mittel von zwei Videomonitoren beschränkte Schaustellung des Hauptwerks von Gregor „Professor Psycho“ Schneider, in seiner erst zweiten Präsentation in Österreich. Links das von Legenden umwobene „Haus u r“ in einem seiner vielen Ur-Zustände (1996). Rechts die für die Biennale 2001 museal aufbereitete Endfassung. Vor dem eigentlichen „Tod“ des Baus, seiner pathetischen wie paritätischen Aufteilung und Austeilung an die übliche Schar der Kunstgläubigen. In der Kunst- und Wunderkammer des Dommuseums und der klaustrophobischen Enge eines historischen Vitrinenschranks entspinnt sich beim Verfolgen des schleppend schlurfenden Gangs durch die unwirtlichen Kompressionskammern von „Haus u r“ das finale Drama der menschlichen Existenz. Auf dem vermutlich schwersten Gang, der der allerletzte gewesen sein kann. Was selbst den unbeteiligten Besucher einspinnt in ein dicht geknüpftes Netz des eigenen Selbst. Mit gelegentlichen Falltüren wie -stricken. Umzingelt von tief gehenden, tief greifenden Ängsten. Eingekerkert in den fensterlosen Räumlichkeiten der Psyche: Doppelbödig, und sicher unterkellert. Was wenig zu tun hat mit meditativer Innenschau. Weil das unüberhörbare Schnauben und Schnaufen, Ächzen und Krächzen von Haus und Herr überlagert wird durch das unaufhörliche Tönen und Dröhnen im Touristenpark rund um den Dom. Im besinnungslos vor sich hin schwadronierenden wie patrouillierenden Corps der festlich gestimmten Festspielgäste. Und einiger (Tausend!) Randexistenzen. Gebetsmühlenartig. Wo man – ur-plötzlich - mit nicht ganz unwesentlichen Fragen alleine bleiben muss: Wie klingt das Denken eigentlich? Welchen Sound hat die Seele? Die Psyche und das Bewusstsein? Geometrien des Humors Zur Abkühlung der verschwitzten, zwischenzeitlich heiß gelaufenen Gemüter dann aber unbedingt in die Galerie Nikolaus Ruzicska und dem wohltuenden Alternativprogramm der ersten Einzelausstellung des 83jährigen Francois Morellet in einer österreichischen Galerie (!). Wo einem ein dicht gehängter, in unaufdringliche Neon-Töne getauchter Empfang bereitet wird. Morellet, der als einer der jung gebliebenen Vaterfiguren der Konkreten Kunst gilt. Einer Richtung, die im Gefolge der abstrakten Kunst der klassischen Moderne aus den formal reduzierten Grundelementen der Bildkunst eine eigengesetzlich bestimmte Welt der Gegenstandslosigkeit erbaut. Aus Kreis und Quadrat, Winkel und Bogen: In Geometrien des Einfachen. In Systematik und Prinzip. In klaren Gesten unter einem kühlen Kopf. Morellet nimmt im hin und wieder einmal beleuchteten Segment der Licht-Kunst eine geradezu illuminierte Sonderstellung ein. Sein überreiches wie übersichtliches Werk speist sich aus einem tief liegenden Humor, einer gepflegten Distanz gegenüber den allzu streng / ernst genommenen Absolutismen von Dogma und System. In seiner verschmitzten Sicht eines menschlichen Minimalismus. Wo eine Wandarbeit schon einmal ihre Seele – den rechten Winkel – baumeln lassen kann, aus ihrem eigenen, kühl komponierten wie lackierten Rahmen zu fallen scheint. Die vermeintliche Katastrophe einer ganzheitlichen Entspannung als Kompositionsprinzip. Morellets Arbeiten sprechen, so gesehen, hinter der vorgehaltenen Hand einer geometrischen, elektrifizierten Abstraktion vom „inneren Lachen“ (W. Genazino) der Dinge um uns herum. Über uns? „Ich meide das Transzendentale und Seriöse. Mir scheinen Humor, Ironie, Spott und Frivolität die notwendige Würze zu sein, um Quadrate, Systeme und alles Übrige verdaulich zu machen.“
Mehr Texte von Stephan Maier †

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