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Gyula Fodor - Wien verschwindet: Zwischen Leben und Jenseits

\"Politiker mit nationalem Bewusstsein wollen Wien mit allen möglichen Bindemitteln auf dem Boden festhalten. Nützt nichts. Wien hat schon abgehoben mit Kurs auf die internationale City. Diese Ballonfahrt beginnt holprig und zögernd, deshalb bleibt der Wiener Lokalismus als Horizont noch sichtbar\", meint Gyula Fodor. \"Wien verschwindet\" heißt eine Ausstellung in der Galerie Atrium ed Arte, die auf subtile Weise schleichende Veränderungen in der Gesellschaft sichtbar macht. Wenn Fodor die Ringstraße fotografiert, richtet er den Blick auf ein vorbeifahrendes Auto, der feudale Hintergrund löst sich in abstraktes Hell-Dunkel auf. Photographien sind nach Roland Barthes ein \"punctum\", dem Fluss der Zeit entrissene Momente, Symbol für Endgültigkeit und Vergänglichkeit. Fodor hält das vorbeifahrende Auto fest, ein Kind, das mit müdem Blick seinen Kopf aus dem geöffneten Fenster hält; um einiges lebendiger ragt eine Hundeschnauze aus dem Auto. Ein kurzer Augenblick kleinfamiliärer Idylle. Fodors Bilder werfen Fragen nach sozialen Wirklichkeiten auf. Ein junges Paar geht an der Kunsthalle am Karlsplatz vorbei, die inzwischen abgetragen wurde. Das Inge-Morath Plakat im Hintergrund verweist auf eine Ausstellung, die längst nicht mehr zu sehen ist. Am Boden liegt ein Obdachloser, das Paar senkt den Blick. Diese Geschichte ist nicht abgeschlossen: Der Umgang mit Randgruppen ist ein Thema, das immer akuter wird. Auch für Kinder in der Großstadt hat Fodor einen wachen Blick: Ein einsamer Kleiner mit Helm und Rollerblades vor dem mächtigen Hintergrund eines Wohnriegels in der Donau-City, ein Kind, das sich am Gaußplatz an ein Gitter klammert, ausgeschlossen vom Geschehen dahinter. Ein Schild in der Wagramerstraße kündigt an, dass hier Schulkinder queren: Kinder, auf ein grafisches Symbol reduziert. Zwei vorgefertigte Garagen aus Beton spiegeln sich in einer Wasserlacke an der Peripherie. Unvollendet, als triste Dokumente eines anonymen Häuslbauerschicksals stehen sie dort. Ihr Inneres ist eine endlos scheinende, schwarze Leere, leer wie das Leben im Nirgendwo am Stadtrand. Fodors Bilder erfassen sein Wiengefühl: \"Zwischen Leben und Jenseits.\" Auf diesem Grat zu wandeln, ist eine spannende Sache.
Mehr Texte von Isabella Marboe

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Gyula Fodor - Wien verschwindet
15.05 - 29.06.2002

Galerie Atrium ed Arte
1070 Wien, Lerchenfelderstrasse 31
Tel: +43 1 522 87 38, Fax: +43 1 522 87 38-4
Email: atrium-ed-arte@t0.or.at
http://www.atrium-ed-arte.at
Öffnungszeiten: geschlossen


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