Werbung
,

Rudolf Stingel: Das Subjekt entzieht sich

\"Die Kathedrale ist im Sand\", hat da jemand geschrieben. Und: \"Glänzende Wände raus!\". Ziemlich viele Gäste haben sich in Rudolf Stingels silbernen Isolierplatten verewigt, die die Räume der Galerie Kargl auskleiden. Zur Ausstellungseröffnung waren sie noch unbearbeitet, monochrom, eine glänzende, raumerweiternde Tabula Rasa. Jede/r Besucher/in darf, ja soll sich betätigen: Die Fingernägel hineingraben, Weingläser waagrecht in das Material stecken, mit den Fingern Punkte, Linien, Wörter zeichnen. Fast ein wenig an Warhols Factory fühlte man sich vordergründig erinnert, wäre da nicht eine völlig andere künstlerische Praxis, die mit der Verwendung von Industriematerial und ihren monochromen Flächen eher an minimalistische Techniken anknüpft, wobei im Gegensatz dazu die freie Spontaneität der vom Publikum erzeugten \"Graffitis\" eher an abstrakt-expressionistische Tendenzen erinnert. Stingels Arbeit kann aber nicht darauf reduziert werden: Mit seiner Freigabe der Isolierplatten zur allgemeinen, mehr oder weniger anonymen \"künstlerischen\" Betätigung entzieht sich Stingel als Künstlersubjekt, gibt die Kontrolle über sein Werk auf. Erst mit der Auswahl einzelner Rechtecke, die dann zu transportablen Bildern geadelt werden, bringt er sich wieder ins Spiel - so geschehen nach der letzten Ausstellung in Trento. Können die entstandenen \"Graffitis\" ein Bild, eine Vorstellung von einem bestimmten Publikum in einer bestimmten Stadt geben? Als Stingel eine ähnliche Arbeit am Anfang des Jahres in der New Yorker Paula Cooper Gallery installierte, entlud sich eine gewisse Anspannung, eine Aggression, die symptomatisch war für die Befindlichkeit der US-amerikanischen Bevölkerung zu diesem Zeitpunkt. Die Wand wird damit zu einem Zeitdokument, zu einem Träger von aufschlussreichen Zeichen. Welche Spuren sich in der Galerie Kargl abzeichnen werden, wird abzuwarten sein.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Rudolf Stingel
16.05 - 22.06.2002

Galerie Georg Kargl
1040 Wien, Schleifmühlgasse 5
Tel: +43 1 585 41 99, Fax: +43 1 /585 41 99-9
Email: office@georgkargl.com
http://www.georgkargl.com
Öffnungszeiten: Mi-Fr 13-19
Sa 11-16h sowie nach Vereinbarung


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: