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In der Wohlfühloase der Kunst

„Die Kunst blüht, die Kunst ist an der Herrschaft, die Kunst streckt ihr rosenumwundenes Scepter über die Stadt hin und lächelt... München leuchtete.“ Für den fintenreichen Erzähler ist es naturgemäß ein bereits Vergangenes, wenn er, Thomas Mann, in „Gladius Dei“ das kulturelle Mikroklima der „heimlichen Hauptstadt mit Herz“ um 1900 umschreibt. Was aber heute, wenn das freistaatlich getragene Fernsehen dem „Staatsakt“ einer Museumseröffnung bereitwillig das nachmittägliche Programm opfert, und nationale Fachzeitschriften im Schulterschluss eines einvernehmlichem Missverständnisses mit der heimischen Touristikwerbung jubeln: „München glänzt“? Eine brandneue Pinakothek der vierten Dimension mit Blickrichtung Zukunft? Hat das „System Optimismus“ den überfälligen zweiten Bauabschnitt der Pinakothek der Moderne vergessen lassen? Denn im Grunde genommen handelt es sich bei der „Sammlung Brandhorst“ um ein öffentlich mehr geschütztes als gestütztes Privatmuseum zu Lasten des Freistaates, zum stolz gestelzten Preis von 48 Millionen Euro Bau-, plus anfallender Unterhalts- und Personalkosten, rechtlich und geographisch nun allerdings bestens, also mit der angemessenen Überheblichkeit wie Unübersichtlichkeit in das vorab nur provisorisch projektierte Münchener „Museumsareal“(!) eingebettet. Aber wie man sich bettet, so kann man mitunter beinahe zum Erliegen kommen, zumindest was die Genese des Museumsbaus von Sauerbruch Hutton betrifft. Spätestens seit Gründung der Stiftung durch Udo und Anette Brandhorst aus der Henkel-Dynastie (mit 120 Millionen Euro Kapitaleinlage) kann man aus einem jährlichen Ankaufsetat von zwei Millionen und damit aus dem selbst verantworteten Vollsten schöpfen. Für die umliegenden Pinakotheken steht dagegen mit 65.000 Euro nur ein Bruchteil dessen zur Verfügung. Und so stünden sich die Gebäude nicht nur von ihrer Positionierung her „feindselig gegenüber“, wie deren neuer Chef Klaus Schrenk erklärt... Kunstgeschichtchen im Großformat Die Sammlung mit rund 700 Arbeiten des 20. und 21. Jahrhunderts und einem geschätzten Wert von 100 Millionen Euro ist nun eher den eigenen Geschmacksimpulsen als gestrenger Wissenschaftlichkeit und / oder Vollständigkeit verpflichtet, entwirft in ihrer Gesamtheit gleichwohl ein „faszinierendes Panorama moderner und aktueller Kunst“ von „internationaler Strahlkraft“ in einem „facettenreichen Parcours“ von „ausgesuchten Künstlern“, wie es in der Pressemitteilung vollmundig heißt. Was bedeuten soll: Brandhorst zieht die Geschichte der Nachkriegskunst von der publicityträchtigen Seite der Meister des Großformats von Markt, Macharten und Machenschaften auf, den mehr als handelsüblichen Verdächtigen von T wie Twombly bis W wie Warhol. Und umreißt damit genau jene Kunstsinnigkeit Münchens in ihrem „... treuherzigen Kultus der Linie, des Schmuckes, der Form, der Sinne, der Schönheit.“ (Th. Mann) Missoni-Chic für die Generation Lounge Nur konsequent, wenn das erste „Best of“ in einem „Schmuckkästchen“ der eitlen Eitelkeiten mehr als repräsentativ präsentiert wird. Hinter dem gediegenen „Missoni“-Chic von 36.000 abgehängten Keramikstäben, einem Blenderwerk gebrochener und CAD-animierter Buntfarbigkeit, wird man dementsprechend von einer auf drei Etagen angelegten Anlage, trotz einer reinen Ausstellungsfläche von 3200 Quadratmetern mit „einer gewissen Domestizität“ (L. Hutton) standes- und erwartungsgemäß empfangen. Stichwortgeber dabei eine großzügig-großbürgerliche und in dänisches Eichenholz gefasste Treppe, inklusive der in hellbraunes Rindsleder gekleideten Handläufe... Schlussendlich befindet man sich, abgeschottet und nur selten noch gestört durch den Andrang und Anblick der Foto-Handy-bewehrten und Audio Guide-bewegten Besucher auf einem Inselchen der Seeligen, in einer trendigen und ökologisch wertvollen Wohlfühloase der Kunst. In einer dank des Lüftungs- und Heizungssystems wohltemperierten und in das beste, weil natürlich gedimmte Tageslicht wohlig gehüllten Kunst-Lounge. Wo ein Durchgangszimmer gleich zum „Passagenraum“ geadelt wird. Das Museum als Gefühl und Ort der Seh(n)süchte der Generation Lounge. Wohlfühlen statt Einfühlung. Plus, zeitlich bestens justiert: Als Fanal gegen die Krise! Eine Harmonie für die Ewigkeit Dem steht die Ersthängung in Nichts nach. Wo alle Eventualitäten im Clash der künstlerischen Kultiviertheiten in Galerien und Säle abgeschoben sind, und sich eine monologisierende Sicht und deren Ansichtssachen kaum ge- oder unterbrochen sehen. Was natürlich wunderbar und toll sein kann, wenn, wie im Saal von Franz West, „Das Fragile an seiner Kloake“ (2007) so unvermittelt und unverschämt, weil großmannsüchtig in die allzu wohlgesetzte Schrittfolge fällt. Oder sich die in kanonischem Rapport wiederholenden Heilsfiguren des „Last Supper“ (1986) von Andy Warhol in der Vitrine der Träume und Alpdrücke von Damien Hirst spiegeln können. Die Pille als letztmögliche Speisung der Entrechteten? Spätestens im Obergeschoß aber wird es in der flächendeckenden Personality-Show Cy Twomblys, des altersgreisen Fürsten des kunstfertig hingeworfenen Kryptogramms, dann richtig gehend prätentiös, was im mediterranen Touch mit dem Hang zur Selbststilisierung nun exakt dem Lebensgefühl Münchens entspricht. Der Biennale-erprobte „Lepanto“-Zyklus im polygonal gekurvten Unding eines Un-Raumes versucht sich immerhin so klaglos wie scheiternd daran, sich selbst in der maßgeschneiderten Absegnungshalle einer „Twombly Chapel“ für die Ewigkeit vormerken zu lassen. Dann lieber in die nur pover möblierte „Partnerschaftsecke“ des Museums, eines unansehnlichen, dafür aber mit „Lounge“ betitelten Aufenthaltsraums, der – natürlich – zum „Verweilen“, also Abhängen einladen soll. Aus dessen knapp bemessenem Panoramafenster man einen ebenso knapp bemessenen wie partnerschaftlichen Blick auf die Pinakothek der Moderne werfen kann. Und man sich „fast schon wie in New York“ fühlen darf. Wo man immer schon gewesen sein wollte... Aber sollte man das eigentlich (noch)?
Mehr Texte von Stephan Maier †

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Ihre Meinung

2 Postings in diesem Forum
Danke
VBP | 29.06.2009 05:52 | antworten
...ich hab´s mir gedacht, und bin noch nicht dort gewesen, obwohl ich fast nebenan wohne.
genau so isses
stefane tachvighi bauer | 02.07.2009 03:44 | antworten
volltreffer lieber stephan maier. wohne in muc und schliesse mich ihrer meinung an. missoni-chic!prima!!! gruss aus münchen

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