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Politik der Umverteilung: Anmerkungen zur Wirklichkeit

Neoliberalismus, Prekarisierung, Gewinnmaximierung, schwankende Staatshaushalte, ebensolche Sozialsysteme, Konjunkturmaßnamen, Krisenmanagement. Die Liste der Schlagworte zum fortschreitenden Wandel des gesellschaftspolitischen Systems ist lang, in den Werklisten zeitgenössischer Kunstproduktion lesen sich die Einträge zum Thema wie folgt: „Un monde moderne“, „Street Economy Archive“, „Nicht ohne Risiko“ oder „L’argent/Money“ - allesamt Titel der im Rahmen von „Die Politik der Umverteilung“ gezeigten Arbeiten. Da ist sie also, die Kunst zur Krise, filetiert auf großen Flachbildschirmen, großteils allerdings ein paar Jahre vor dem lauten Knall, mit dem die Blase platzte, erschaffen. Die Zusammenschau passt jetzt natürlich bestens und wirft nebenbei auch interessante Schlaglichter auf die Frage nach dem Dokumentarischen in der Kunst - von bloßer Abbildung der Realität im Kunstfeld bis hin zur künstlerischen Reflektion der Mittel dieser Abbildung. Hannah Starkeys inszenierte Fotoarbeit „Butterfly Catchers“, in der Jugendliche auf eine Müllhalde Schmetterlinge fangen, wirkt wie ein Still aus einem Film über die Vorstadttristesse, in Anna de Manincors Video „Stop Kidding“ wiederholen vierzig Personen in einer Art Casting-Situation vor der Kamera immer denselben Satz - „Io non farò figli per questo paese“ (ich werde für dieses Land keine Kinder machen) -, der die Perspektivenlosigkeit in Berlusconis Italien reflektiert. „Umverteilung“ passiert vor allem auch am globalen Arbeitsmarkt, dokumentiert etwa im Video „Bauern“ von Elke Marhöfer, die Baumwollpflücker in Burkina Faso bei der Arbeit gefilmt und ihre Gespräche aufgezeichnet hat. Es geht um Alltäglichkeiten, aber auch um die Sorge um den Baumwollpreis, der durch hoch subventionierte amerikanische Baumwolle niedrig gehalten wird. Sabrina Malek und Arnaud Souliers Dokumentarfilm „Un Monde Moderne“ begleitet Billig-Arbeiter aus Pakistan, Indien oder Rumänien in der Werft Chantier de l’Atlantique an der Loire-Mündung, eine der größten weltweit. Harun Farocki demaskiert Finanzmarktmethoden in den Filmaufnahmen eines Verhandlungsgespräches bei einer Risikokapital-Gesellschaft, Tadej Pogacar porträtiert in einer Fotoserie die Parallel-Wirtschaft des Straßenhandels und Barbara Musil überführt die euphorische Investitionsstimmung marktliberaler Länder in eine Komposition aus Satellitenbildern von Estland, auf denen die Linien der Katasterpläne zu einem Orchesterwerk von Arvo Pärt tanzen. Endgültig in der gegenwärtigen Debatte über Gier und Gehälter angelangt ist man angesichts der Arbeiten von Raymond Taudin Chabot, der in der Fotoserie „DCM“ (2009) Manager als zeitgemäße „Master of Desaster“ über unsichtbare Hindernisse taumeln lässt oder in Videos ihre Repräsentationsmuster sichtbar macht.
Mehr Texte von Ivona Jelčić

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Politik der Umverteilung
28.02 - 21.06.2009

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