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Fremd auf einer Insel

Was wohl schnell und in Schwarzweiß zu machen sei, soll Michael Powell seinen Regie-, Drehbuch und Produktions-Partner Emeric Pressburger 1944 gefragt haben, als ihr nächstes gemeinsames Projekt aus Mangel an Technicolor vertagt werden musste. – Etwas über eine Frau, die nicht auf eine Insel gelangen kann und wenn sie es kann, es nicht mehr will, soll die Antwort gelautet haben. – Warum kann sie das nicht? – „Let’s make the film and find out.“ Das mythisch ebenso wie mit Schatten und Nebeln aufgeladene Ergebnis kam 1945 unter dem Titel „I know where I’m going!” in die Kinos und gilt bis heute als eine der schönsten Arbeiten des britisch-ungarischen Filmemacherduos. „I know where I’m going!” handelt vom Fremdsein an einem Ort mit alter Tradition, etwas, von dem Emeric Pressburger immer wieder in seinen Filmen erzählt. Als Vertreter des deutschsprachigen Filmexils in England war er zwar eine Zentralfigur, aber bei weitem nicht allein: An die 400 Filmschaffende, die nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten nicht mehr in deutschen Filmstudios arbeiten durften, Schauspieler, Regisseure, Production Designer, Drehbuchautoren, Kameraleute und Komponisten, versuchten ihr Glück in britischen Ateliers – und beeinflussten, bewundert und abgelehnt zugleich, mit ihrem Know-how und ihrer Ästhetik das englische Filmschaffen enorm. Schon 1934 war in der deutschsprachigen Exilzeitung „Pariser Tageblatt“ zu lesen: „Ist es wirklich ein Zufall, dass der Siegeszug des englischen Films mit dem Niedergang des deutschen zeitlich zusammen fällt?“ Nun kommt das englische Filmexil im Österreichischen Filmmuseum mit einer von Christian Cargnelli kuratierten Retrospektive zu Ehren. Der famose „The Third Man“ bildet darin nur die Spitze eines Eisbergs. Zwar gehören auch Powells und Pressburgers „I know where I’m going!” und „Black Narcissus” in die Kategorie „Filme, die man nie vergisst”, trotzdem bietet das Programm sonst fast nur Raritäten, angefangen mit Paul Czinners „The Woman He Scorned“ mit Pola Negri von 1929 und Ewald André Duponts elegant ausgestattetem „Piccadilly“ aus dem selben Jahr – zwei Werke aus einer Ära, in der deutschsprachige Filmschaffende noch nicht ins Ausland gehen mussten, es aber dennoch taten. Lothar Mendes` „Jew Süss“ (1934) ist im Gegensatz zur Nazi-Propaganda-Version des Stoffes tatsächlich eine Verfilmung des Feuchtwanger-Romans und in „Blossom Time“ (1934) spielt der österreichische Startenor Richard Tauber den Komponisten Franz Schubert. Eine echte künstlerische Entdeckung ist der poetische Antinazi-Film „Thunder Rock“ (1942), ein zentrales Werk „Little Friend“ (1934) von Berthold Viertel. Besonders neugierig macht die Ankündigung des legendären, selten gezeigten Spielfilms „The Robber Symphony“ von Friedrich Féher (1936): „eine unbekannte Fundgrube in Sachen Seltsamkeit und Surrealismus“. Destination London. Filmexil in Großbritannien, 8. Mai bis 10. Juni 2009 im Österreichischen Filmmuseum, Wien. Freitag, 8. Mai 2009, 19:00 Uhr Eröffnung der Filmreihe und Präsentation des Buches Tim Bergfelder und Christian Cargnelli (Hrsg.), Destination London. German-speaking Emigrés and British Cinema. 1925-1950, Oxford - New York (Berghahn) 2008 Donnerstag, 14. Mai 2009, 18:00 Uhr Vortrag von Christian Cargnelli: Filmexil und Exilfilm in Großbritannien Freitag, 15. Mai 2009, 18:00 Uhr Vortrag von Sarah Street: Alfred Junge and British Cinema Samstag, 16. Mai 2009, 18:00 Uhr Vortrag von Tim Bergfelder: Weimar in Britain. Cultural Exchanges Between German and British Cinema Before 1933
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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