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Breathless: Vorgänge in vorgeblicher Rachenhöhle

Die ehemalige Markthalle in Landstraße Mitte hatte zu gewöhnlichem Betrieb in schwitzigem Neonlicht auf weißen Kacheln einen sehr gefräßigen Bauchcharakter vielleicht eines Albinowalfischs. Im nunmehr abbruchbereiten, weitestgehend entkernten Schlauchtunnel kann man sich eher in eine gut geräucherte Lungenhöhle denken. Atmen oder Kotzen? Qu´est-ce que c´est dégueulasse? fragte Jean Seberg in Außer Atem einen Polizisten, sie wollte lernen, was das Wort „zum Kotzen“ bedeutet.  Auch wer mit Film noir nicht vertraut ist, darf es nützlich finden, leibliche Vorgänge im Bezug auf Körperöffnungen in Fremdsprachen angemessen bezeichnen zu können, Richtung mal außen vor gelassen. Bevor die Markthalle jedenfalls endgültig den Weg stadtgestalterischer Weiterbildung geht, kann man sie noch unter der Einflußnahme einer multikonzertierten Artefakt-Installation würdigen. Neunzehn Künstler und vier Galerien zeigen dreizehn Videos, zwei Diainstallationen, eine Diaprojektion, eine Soundinstallation, achtzehn Wandarbeiten, fünf Installationen und zwei Performances, kuratiert von Adam Budak. Manche Exponate gelangen zu einer kongenialen Ästhetik mit der baufälligen Raumwirkung. So führt ein  unauffällig kleinformatiges Bild von Ute Müller (O. T., 40x40, Eitempera auf Molino, Galerie Dana Charkasi) ein Loch auf schwarzem Grund in noch schwärzerem vor; und wenn man näher hingeht, um die Differenzen an Tiefenschärfen genauer zu beobachten, findet man noch ein Loch – noch ein gemaltes. Martin Vesely (Galerie Momentum) baut aus Neonstäben zwei regenschirmartige Lichtobjekte, und die Lehrstellen aus Luft statt der Regenhaut könnten durch Regenbögen ersetzt werden, sollte es regnen. Eine ähnliche differenzierende Geste im Bezug auf das Material Luft kommt auch in der digitalen Diashow von Leopold Kessler (Class divider, Galerie Andreas Huber) zum Ausdruck, in der zur eventuell ticketpreiswirksamen Unterscheidung der Konservenluft eines Flugzeuginnenraums ein Vorhang angebracht wird. Pirmin Blum(Galerie Winiarzyk) hingegen setzt einen Airbagtest in ein einminütiges Loopvideo, und der Airbag entpuppt sich blütenartig-satt und abstrakt-schön. Anders als im Website-Intro zur Ausstellung(www.breathless.at ) konnte die To-the-center-Intervention von Clemens Hollerer die gutbesuchte Eröffnung nicht farbgetreu überstehen – rote und blaue Papierbahnen führten von der Rückseite der Großbaustellenbeschilderung übers Trottoir und  durch den Windfang in den Raum. Aber sichtbares Vergehen darf gern mit Nonchalance gekennzeichnet sein und mit eben dieser Haltung eleganter Lässigkeit muß kein Streit darüber angestrengt werden, ob der Raum die Hauptattraktion der Ausstellung macht oder umgekehrt; denn der Raum ist wert, noch einmal und so gesehen zu werden. Falls man von den Exponaten was vergißt, kann man sich den Raum merken, und Ausstellungs-Motto-gemäß über den großen Platz zwischen zwei Atemzügen nachzudenken ist eh immer eine weiträumige Annehmlichkeit. Beim Kotzen hält man den Atem an, oder?
Mehr Texte von Gesche Heumann

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Breathless
08 - 24.05.2009

Markthalle
1030 Wien, Landstrasser Hauptstrasse 1c


Ihre Meinung

2 Postings in diesem Forum
soho in ottakring
Ottmar Ebersbacher | 14.05.2009 09:30 | antworten
hier soll wohl gezeigt werden, dass junge galerien, die in ihren üblichen ausstellungen meist zum gähnen konservativ sind, auch mit trash-ästhetik können, wers glaubt sorry aber da scheint mir soho in ottakring um ein vielfachest motivierter in sachen kunst zu sein
kommentar
alexander | 14.05.2009 03:31 | antworten
der artikel ist sehr geballt!lg

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