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Brennende Paläste und die Gesetze der Physik

Schon die Saalregie-Leute machten Lust auf ein wieder professionalisiertes, von guten Programmen statt persönlichen Eitelkeiten erhitztes Festival: Die meisten Ansagen kamen sehr gut gelaunt herüber. In diese Kerbe hieb auch die neue Intendantin Barbara Pichler: Sie wurde nicht müde, ihr Team zu loben und sich besonders für diese gute Laune zu bedanken. Der Funke sprang über. Das Festival des österreichischen Films fand dieses Jahr wieder als Plattform für konstruktive Diskussionen statt. Nur eines konnte auch Barbara Pichler nicht: Filmqualität herzaubern, wo es sie nicht gab. Dieser Spielfilmjahrgang enthielt eben keine Arbeit wie „Revanche“, Götz Spielmanns verdienten, für den Auslands-Oscar nominierten Diagonale-Sieger des letzten Jahres. Schon die Wahl von „Kleine Fische“ als Eröffnungsfilm suggerierte, dass da unter den noch unbekannten Spielfilmen wohl nicht mehr viel Großes kommen würde. Immerhin gab es zwei äußerst gelungene Genrefilme im Programm, die allerdings beide längst in den Kinos angelaufen waren: das hocheffiziente, verbesserte Sequel des Horrorthrillers „In drei Tagen bist du tot“ von Andreas Prochaska und die ebenso hervorragend funktionierende, tiefschwarze Krimikomödie „Der Knochenmann“ von Wolfgang Murnberger. Und es gab das ebenfalls schon im Kino angekommene, sehr verhaltene, wunderbare Drama „März“ von Klaus Händl. Der zuständigen Jury gefiel jedoch die sperrige Literaturverfilmung „Das Vaterspiel“ von Michael Glawogger am besten. In der Sektion Dokumentarfilm wurde mit „In die Welt“ von Constantin Wulff ein allseits sehr gelobter Film über den Alltag in einer Geburtsklinik gekürt. Hier hätten sich auch Heinz Emigholz` Filme „Schindlers Häuser“ und „Loos Ornamental“ angeboten oder Harun Farockis „Zum Vergleich“. Sehr viel besser sah es auf dem Gebiet des Experimentalfilms aus. Hier hatte der Sieger, Michael Palms „Laws of Physics“, ein Spiel mit den Möglichkeiten filmischer Abstraktion und Horror-Elementen, schon einiges mehr an ernsthafter Konkurrenz. Die abstrahierte Zeitrafferstudie „24/7 (Into the Direction of Light)” von Michael Aschauer etwa oder die höchst raffiniert digital konstruierten und verfremdeten, scheinbaren Kamerafahrten von „Trifter 1“ von Rainer Gamsjäger und "HEIM“ von Claudia Larcher. Annja Krautgassers Filmdiptychon „Innerer Monolog“ und „Beyond” überzeugte ebenso wie die lustvolle Zerstörung einer spießigen Wohnungseinrichtung in „Dropping Furniture“ von Harald Hund und Paul Horn. „Ground Control” von Siegfried A. Fruhauf spielte elektronisch mit dem Genre des Bug-Movies und "i turn over the pictures of my voice in my head” mit der schieren Physis der Stimmbänder von VALIE EXPORT, während sie über ihre Stimme philosophierte. Eine besondere visuelle Offenbarung war “Burning Palace”, der neueste Film von Mara Mattuschka, der die Diagonale heuer einen Tribute widmete. Vielleicht die schönsten Momente des Festivals ließen sich in den historischen Retrospektiven erleben. Das war einerseits ein Vorgeschmack auf ein kommendes Filmprogramm zur Geschichte des österreichischen Animationsfilms des Filmarchivs Austria, andererseits zwei Programme des Österreichischen Filmmuseums zum Thema Filmrestaurierung. Die alljährliche Synema-Retrospektive brachte einige selten gezeigte Filme auf die Leinwand, an denen die österreichische Emigrantin Anna Gmeyner schreibender Weise beteiligt gewesen war. Als Zeitdokumente, die sie sind, spiegeln Filme wie G. W. Pabsts in Paris exilierte Wiener Komödie „Du haut en bas“ von 1933 oder Roy Boultings dichter, mit fantastischen Elementen angereicherter Antinazifilm „Thunder Rock“ (1942) in vielen Facetten die Zeichen der Zeit wider. Beinahe fühlte man sich nach dem Ende von "Pastor Hall" (1940) statt aus dem Kino wie aus der Kirche gehen, in der der widerständige Pastor eben noch seine allerletzte Antinazi-Predigt gehalten hat.
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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