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Isa Melsheimer - Land aus Glas: High & Low

Von Alessandro Baricco scheint Isa Melsheimer den Titel für ihre Ausstellung entlehnt zu haben. Das „Land aus Glas“ – im Roman des italienischen Schriftstellers ein Ort gelebter Träume, in dem ein Glaspalast gigantischen Ausmaßes entstehen soll – steht in Melsheimers Präsentation für die Auseinandersetzung mit den Utopien der zweiten Glasbaumoderne, die auf Schlüsselbauten wie Sir J. Paxtons Kristallpalast für die Londoner Weltausstellung 1851 bereits zurückblickt und in deren Zentrum der Imperativ einer erlösenden Glasarchitektur steht, die eine gesellschaftliche Veränderung und die Vergeistigung des Menschen vom Individuellen zum Kollektiven anstrebt. Die baulichen Visionen des literarischen Fantasten Paul Scheerbart sowie der Briefwechsel der „Gläsernen Kette“ (1919 – 1920), einer Kommunikationsplattform, der u.a. Bruno Taut, Mies van der Rohe, Walter Gropius und Hans Scharoun angehörten, inspirierten die Künstlerin zu diesem Projekt. Unzählige Teilchen Bruchglas zu architektonischen Miniaturen geformt und auf einem fein auf den Raum abgestimmten Podest platziert: Der Kristall als transzendentes Raum- und Gestaltsymbol, der den Architekturvisionären als Sinnbild für Erneuerung galt, wird hier gleich mehrfach zitiert. Dass die Objekte ästhetisch mit Kunsthandwerkskitsch liebäugeln, wirkt durchaus beabsichtigt. Denn historisch betrachtet ist in der Trennung von hoher Kunst und Kunsthandwerk die Unterscheidung zwischen männlichem Schöpfertum und weiblicher Kreativität verankert. Den geschlechtsspezifischen Konflikt, der also hinter dieser Trennung zwischen High und Low lauert, versteht Melsheimer geschickt zu umschiffen. Auf die traditionell männlich-machtvolle Attitüde des Bauens antwortet die Künstlerin weiters mit bestickten Stoffbahnen, in die sie Zitate aus Scheerbarts einflussreicher Aufsatzsammlung „Glasarchitektur“ (1914) einschleust. Freilich ist diese Art der Auseinandersetzung mit geschlechtsspezifischen Klischees nicht neu. Künstlerinnen wie Rosemarie Trockel, Tracey Emin oder Cosima von Bonin greifen für ihre Arbeiten immer wieder auf Handarbeitstechniken zurück, um Klischees ironisch zu brechen. Melsheimers Gouachen verdeutlichen aber, dass es in ihrem Schaffen um mehr als eine postfeministische Leseart geht. Springende und laufende Figuren aus Magazinen, psychedelisch-schrillfarbige Muster, moderne Architekturen mit phantastischen Raumfluchten machen hier vor allem eines deutlich: Bewältigungsstrategien für unsere informations- und bilderüberflutete Welt gilt es noch zu finden.
Mehr Texte von Manisha Jothady

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Isa Melsheimer - Land aus Glas
20.02 - 25.04.2009

Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder
1010 Wien, Grünangerg. 1/2
Tel: +43 1 5121266, Fax: +43 1 5134307
Email: galerie@schwarzwaelder.at
http://www.schwarzwaelder.at
Öffnungszeiten: Di-Fr: 12-18h
Sa: 11-16h


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