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Jiri Kolar - Objekte und Collagen: Ei auf Schlitten

Ob Jirí Kolár (1914-2002) tatsächlich der „bedeutendste tschechische Künstler des 20. Jahrhunderts“ war, wie es im Pressetext der Galerie Ernst Hilger anlässlich dessen aktueller Ausstellung heißt, darüber mag man streiten. Wahrscheinlich müsste sich der Collagist und Dichter um diesen Titel nicht nur mit František Kupka, sondern auch mit Karel Capek, Antonín Procházka und Toyen einerseits, Milan Knižak und Jirí Kovanda andererseits balgen. Einerlei: Kolárs Arbeiten – hier Assemblagen und Collagen aus den 1980er-Jahren – lassen einen förmlich in sie hineinkriechen. Da lässt er etwa in einem Relief („Portrait de Pierre Alechinsky“) ferne Länder aufeinander stoßen – fein nebeneinander montierte Atlas-Schnipsel bedingen diese Kontinentalverschiebung – sodass sich plötzlich Istanbul neben Cassis wiederfindet; und nur die Namen der oft völlig unbekannten Orte lassen Rückschlüsse auf die jeweiligen Länder zu. Auch für Himmelskarten, innerliche Organe oder bunte Flügel hat Kolár ein Faible: Sie umkleiden Zäune, Obelisken oder eine Schale, in der ein Kopf steht, ragen als Fries in eine Landschaft hinein oder stabilisieren streifenförmig eine Komposition. Kolár beklebt eine Ente mit Geldscheinen, lässt ein Ei Schlitten fahren und hängt ein ärmelloses Hemd auf einen Zaun. Doch unabhängig von diesen sichtlich surrealistisch beeinflussten Bildfindungen fällt vor allem Kolárs Umgang mit Sprache auf: Häufig hinterfangen seine Kompositionen Schnipsel aus französischen Büchern, gerne verwendet er auch arabische oder chinesische Schriftzeichen; und sogar die Braille-Schrift findet Eingang in seine dreidimensionalen Welten. Mag sein, dass diese Arbeiten für die Zeit, in der sie entstanden sind, ein wenig retro wirken: Nur wenige Künstler widmeten sich schließlich nach dem Ende der historischen Avantgarde der Collage – zumindest in ihrer traditionellen Ausführung, die mit Papier, Schere und Uhu anstatt mit Scanner und Photoshop arbeitet. Ihrer symbolisch aufgeladenen Rätselhaftigkeit, die eine weitere Auseinandersetzung provoziert, tut dies jedoch keinen Abbruch.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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Jiri Kolar - Objekte und Collagen
27.03 - 23.04.2009

Galerie Ernst Hilger
1010 Wien, Dorotheergasse 5
Tel: +43 512 53 15, Fax: +43 513 91 26
Email: ernst.hilger@hilger.at
http://www.hilger.at
Öffnungszeiten: Di-Fr 11-18, Sa 11-15 h


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