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Jean Prouvé - Die Poetik des technischen Objekts: Poesie der Kanten

Er war vielleicht der konsequenteste aller Funktionalisten. Nicht als Architekt, sondern als Schmied ausgebildet und mehr Pragmatiker als Verfasser von theoretischen Traktaten, stand Jean Prouvé immer im Schatten von PR-Genies wie Le Corbusier und Walter Gropius. Prouvé wollte bei seinen Konstruktionen immer den inneren Kräfteverlauf ablesbar machen und kaufte sich schon mal zu Experimentationszwecken eine gebrauchte "Voisin"-Limousine, um sie zwecks konstruktivem Erkenntnisgewinn zu zerlegen. Der geschäftige Tüftler dachte alles von Grund auf neu und setzte nebenbei das ästhetische Potential der Konstruktion so virtuos ein wie kaum ein anderer. Dabei bewies er immer Improvisationstalent, etwa wenn er an den blechernen Wandelementen der Maison du Peuple in Clichy Bettfedern einbaute, um das störende Knacken bei Temperaturunterschieden zu dämpfen, oder beim Bau seines eigenen Hauses aus Lager-Restbeständen seiner Firma in Maxéville bei Nancy. Ein drittes seiner architektonischen Meisterstücke ist die 1957 entstandene Trinkhalle von Evian, die ihre optische Schwerelosigkeit aus dem Ersetzen von Druck- durch Zugkräfte erhält, ein anderes die 1953 realisierte bewegliche Blechpaneel-Fassade des Apartmenthauses am Pariser Square Mozart, von der die Ausstellung ein charmantes kinetisches Modell zeigt. Nebenher engagierte sich Prouvé nicht nur bei UIAM und CIAM, sondern auch in der Résistance und entwarf Obdachlosenbaracken für rationelle Serienproduktion. Auch Prouvés teilweise in Zusammenarbeit mit Charlotte Perriand entstandene, im Vergleich zu seiner Architektur bekannteren Möbel aus gekantetem, geschweißtem Blech und Sperrholz zeigt die vom Vitra Design Museum übernommene Ausstellung. Der passionierte Stuhlkippler, der seinen Sitzmöbeln zur Sicherheit eine Tragfähigkeit von 400 kg gab, verstand es, aus ökonomischer Beschränkung eine Poesie der Nüchternheit entstehen zu lassen, von der man nie genug bekommt.
Mehr Texte von Iris Meder †

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Jean Prouvé - Die Poetik des technischen Objekts
11.03 - 21.06.2009

Möbelmuseum Wien
1070 Wien, Mariahilfer Strasse 88, Eingang Andreasgasse 7
Tel: +43-1-524 33 57
Email: info@moebelmuseumwien.at
https://www.moebelmuseumwien.at/
Öffnungszeiten: Di-So 10-17 h


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