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VORSPANNKINO - 54 Titel einer Ausstellung: Reines Vorspiel

Kino und Museum – diese Liaison, die wohl eher einer Begnadigung eines von der digitalen Revolution überrollten Mediums bzw. seiner gnadenbrotähnlichen Aufnahme in den Geschichtsspeicher gleichkommt, darf man im Grunde nicht mehr ungestraft als frisch bezeichnen. Aber nun unternehmen es die Berliner Kunst-Werke, dem doch etwas Neues hinzuzufügen, einen erhellenden Blick auf einen – sogar von der Filmwissenschaft – bisher sträflich unterbelichteten Bezirk zu werfen; und dies paradoxerweise gerade dadurch, dass man letztlich das Entscheidende, nämlich den eigentlichen Kinofilm, ausblendete und statt dessen allein seinen Prolog fokussierte: den Vorspann – seit jeher essentieller Teil einer Filmvorführung, aber oftmals eher als notwendiges Übel oder lästiges Beiwerk empfunden, über das man, ähnlich wie bei der Kinowerbung, einfach hinwegzusehen wünscht. Und doch gelingt es den besten Beispielen spielend, die Aufmerksamkeit des Zuschauers von Anfang an zu fesseln, ein Versprechen auf das Kommende zu sein, eine prickelnde Vorahnung davon zu geben, kurz: die Funktion des reinen Informationsträgers zu transzendieren und im freien Zusammenwirken von Schrift, Bild und Ton ein Surplus zu erringen, das den Vorspann produktionsästhetisch gesehen nicht mehr nur als bloßes Auftragswerk erscheinen lässt, sondern auch als eigenständige Schöpfung ausweist; und das vor allem, seitdem ab den dreißiger Jahren, also mit der zunehmenden Etablierung des Hollywood-Studiosystems, immer mehr an einer Produktion Beteiligten das Recht auf eine namentliche Erwähnung zugebilligt wurde, was den Titel-Designern – die ironischerweise selbst lange Zeit ungenannt blieben – immer größeren Spielraum ließ. Dieser unverdienten Anonymität entkam wohl erst so jemand wie Saul Bass, der etwa für Hitchcock den Vorspann zu „Vertigo“ (1958) oder „Psycho“ (1960) gestaltete; wobei sich anhand dieser beiden Exempel – hie das sich mit Blut füllende Auge, aus dem dann in unaufhörlicher Folge schwindeln machende Spiralen aufsteigen, da die eine Atmosphäre einer voyeuristischen Bedrohung evozierenden, jalousieartigen Streifen – eine grobe, wenn auch im ganzen natürlich völlig unzureichende Kategorisierung der insgesamt 54 Filmtitel vornehmen ließe, denn auffallend viele davon setzen, neben der alles überwölbenden Symbolik, die schlicht auf das Folgende vorauszuweisen hat, entweder auf das Sinnliche oder das Abstrakte; sie erheben also, mit anderen Worten, eines ihrer drei Elemente – Bild, Ton oder Schrift – zu ihrem Prinzip oder Leitmotiv: So findet sich das Auge etwa auch bei Samuel Becketts „Film“ (1965) oder John Frankenheimers „Seconds“ (1966), während in Orson Welles’ „The Magnificent Ambersons“ (1942) sowie in Jean-Luc Godards „Le Mépris“ (1963) die Credits einfach rezitiert und in Pier Paolo Pasolinis „Uccellacci e uccellini” (1966) sogar gesungen werden. Das grafische Prinzip dominiert dagegen in Klassikern wie Billy Wilders „The Seven Year Itch“ (1955) – wo sich wohl unabweisbare äußere Bezüge zur damals aktuellen Farbfeldmalerei herstellen lassen – und Norman Jewisons „The Thomas Crown Affair“ (1968) – wo die bunten Bilderbalken das inhärente Splitscreen-Verfahren präludieren – und wurde neuerdings wieder von Steven Spielberg für sein „Catch me if you can“ (2002) zum Einsatz gebracht. Dieses nahezu beliebige Herausgreifen von Filmen zeigt aber vor allem zweierlei: Die 60er Jahre waren offensichtlich nicht nur in Dingen der bildenden Kunst ungemein experimentierfreudig; und zudem scheint es primär die aussterbende Spezies der Autorenfilmer zu sein, die auch größten Wert auf einen elaborierten Vorspann legt. Was Wunder also, dass ausgerechnet ein Quentin Tarantino immer wieder viel Herzblut bei der Herstellung seiner Titelsequenzen lässt – „Death Proof“ (2007) erhält solcherart also auch einen völlig ungewollten Hintersinn.
Mehr Texte von Peter Kunitzky

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VORSPANNKINO - 54 Titel einer Ausstellung
08.02 - 19.04.2009

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