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MAN SON 1969. Vom Schrecken der Situation: Die Blumen des Bösen

Nach 1968 kam – richtig, 1969. Das ist zwar – zugegeben – keine allzu steile Geschichtsthese, dürfte aber trotzdem den einzig wirklich bleibenden Erkenntnisgewinn beim Besuch dieser Ausstellung ausmachen. Einer Ausstellung, die letztlich an ihren eigenen weit gefassten Zielen und hohen Ansprüchen scheitert, ja geradezu scheitern muss, denn sie möchte schließlich nicht nur veranschaulichen, wie die bukolisch-idyllische Protestbewegung von 1968 bereits ein Jahr später entgleiste, indem die Flower Power allmählich begann, gewaltige blutig-rote Blüten zu treiben (die historischen Marken sind dabei die Ermordung eines Besuchers des Rockfestivals von Altamont/Kalifornien, der west coast-Version von Woodstock, durch ein Mitglied der von den Rolling Stones als Ordner engagierten Hell’s Angels und natürlich die bestialischen und späterhin zum Mythos erhobenen Massaker von Charles Mansons Family u.a. an Roman Polanskis damaliger Frau Sharon Tate); nein, man versucht sich hier mit rein künstlerischen Mitteln gleich auch an einem „Essay“ (Pressetext) über das Böse schlechthin, also über die betrüblichen Nachtseiten der Existenz, und nimmt in solchem Verfolg einer bereits seit einer guten Dekade verjährten philosophischen Modeströmung Dinge in den Blick, die zur allgemeinen Verwirrung mit dem vom Ausstellungstitel abgesteckten Erwartungshorizont durchaus nicht zur Deckung kommen wollen. Die Folge hiervon ist schiere Unübersichtlichkeit, die der wilden Kreuzung der Diskursfelder Politik und Pop (man scheut sich etwa nicht, mit Astrid Prolls berühmten Paris-Fotos von Baader und Ensslin sogar das RAF-Thema anzuspielen und mithin nicht nur den Wetter- oder Höllensturz des Summer of Love zum Deutschen Herbst auszumalen, sondern auch eine gewagte Gleichsetzung von Manson und Baader vorzunehmen), Religion und Moral, Wissenschaft und Kunst geschuldet ist. So wird letztlich auf diesem labyrinthisch anmutenden Parcours, der sich irgendwie so gar nicht mit O.M. Ungers von klarster Geometrie bestimmtem Anbau verträgt, ein assoziatives Glasperlenspiel angestoßen, das tatsächlich vom Hundertsten zum Tausendsten führt, also zum Beispiel einen „Schmerzensmann“ von Meister Francke aus dem 15. Jahrhundert (Manson hielt sich für einen Messias) mit George Grosz’ „John, den Frauenmörder“ zusammenspannt und auch sonst alles mit einbezieht, was hier gerade so herumsteht – weshalb sogar ein unverrückbares Splashing von Richard Serra noch zu einem „Memento der ästhetischen Experimente um 1969“ erklärt werden kann oder muss. Da bleibt nur noch die Frage, wovor diese rhizomatische, aber am Ende doch leidlich erhellende Verzweigungskunst eigentlich haltgemacht hätte.
Mehr Texte von Peter Kunitzky

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MAN SON 1969. Vom Schrecken der Situation
30.01 - 26.04.2009

Hamburger Kunsthalle
20095 Hamburg, Glockengießerwall
Tel: ++49 (0) 40 428 131 200, Fax: ++49 (0) 40 428 54 34 09
Email: info@hamburger-kunsthalle.de
http://www.hamburger-kunsthalle.de
Öffnungszeiten: Di-So 10-18 h, Do 10-21 h


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