Werbung
,

Fotografie und das Unsichtbare: Licht aus, Spot an: Krätzmilbe

Der Stengel einer Clematis, am 4. März 1840. Mottenflügel, die aussehen wie der Stadtplan von Manhattan – das sich zu der Zeit, als Henry Fox Talbots Foto entstand, freilich noch ganz anders präsentierte. Hier war es die Zeit Adalbert Stifters. Man kann sich nur ansatzweise ausmalen, wie solche Bilder die Wahrnehmung der Welt, und damit auch die Kunst, umgewälzt haben müssen. Es geht weiter: Springspinnen, Krätzmilben, Prozessionsspinner. Eine Laus, die in einer spektakulären Fotoserie der 1850er Jahre ihrem Ei entschlüpft. Und die Alltime-Stars der Mikrofotografie, die Kieselalgen, um 1900 von Hans Hauswaldt zu wunderbar ästhetischen Stilleben arrangiert. Die Mikrofotografie ist nur eines der Kapitel der Albertina-Ausstellung, aber vielleicht das faszinierendste. Neben der Möglichkeit, das mikroskopisch Kleine mit Hilfe der Fotokamera sichtbar zu machen, standen ungeahnte Möglichkeiten des Abbildens von Bewegung – die bekanntesten Beispiele stammen von Eadweard Muybridge, der glaubte, nicht nur Salti, Sprünge und Vogelflüge, sondern auch das "Verhauen eines Kindes" abbilden zu müssen. Man ahnt Duchamp und Picasso voraus, in direkterer Folge mussten aber zum Beispiel Maler erkennen, dass sie galoppierende Pferde immer falsch dargestellt hatten. Oder Blitze, die, wie man nun sah, nicht zackig, sondern vielfach gebrochen verlaufen. Elektrische Entladungen und Magnetfelder wurden sichtbar, der Weg des Mondes über den Himmel, Kometen, die Milchstraße. Röntgenstrahlen machten in Soldatenhänden steckende Schrotkugeln sichtbar und Frösche im Verdauungstrakt von Schlangen. Eines der entzückendsten Exponate ist hier ein X-Ray-Stilleben zweier Langusten auf einem gedeckten Tisch. Surrealisten, bedeckt euer Haupt vor dem Zauber der Wissenschaft – 1:0 für den von Jakob Ottonowitsch von Narkiewitsch-Jodko 1895 auf die Platte gebannten "an der Oberfläche des (gut gewaschenen) Körpers einer Prostituierten erzeugten Funken".
Mehr Texte von Iris Meder †

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Fotografie und das Unsichtbare
11.02 - 24.05.2009

Albertina
1010 Wien, Albertinaplatz 1
Tel: +43 1 534 83 -0, Fax: +43 1 533 76 97
Email: info@albertina.at
http://www.albertina.at
Öffnungszeiten: Tägl. 10-18h, Mi 10-21 h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: