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Sonic Youth - Sensational Fix: Im Netzwerk der Alternative Culture

Die zentralen Gestirne und Bedeutungsschleifen dieses Kosmos sind längst erschlossen. Seinerzeit in jeder fünften Platten-Rezension abgehandelt wurde etwa, dass die Zeichnung für das Cover der Sonic Youth LP „Goo" von Raymond Pettibon stammt und auf ein Foto der Schwester von Serial Killerin Myra Hindley, Maureen, und deren Ehemann David Smith zurückgeht. Zwei Jahre nach „Goo“, 1992, gestaltete Mike Kelly das Folgealbum „Dirty“ mit dem Foto eines seiner vieldeutigen Stoffpüppchen. Selten gelang es einer Band, ihr Wirkungsfeld derart mit Positionen der Gegenwartskunst zu verweben wie Sonic Youth. Allerdings waren die Überschneidungen zwischen Noise Music und konzeptueller Kunst in Down-Town Manhattan und L. A. in den späten 1970ern – als Sonic Youth sich formierten – keineswegs außergewöhnlich. John Cage, Robert Rauschenberg und Merce Cunningham hatten längst genreübergreifend gearbeitet. Sonic Youth Sängerin und Bassistin Kim Gordon kuratierte schon 1982 eine Ausstellung in der White Columns Gallery in New York, wo sie den noch wenig bekannten und ebenfalls multidisziplinär aktiven Mike Kelly zeigte. Dann besteht noch die Achse Richtung Deutschland. Köln: Spex, Texte zur Kunst. Düsseldorf: Gerhard Richter. 1982 erschien dessen symbolträchtige gemalte Kerze am Cover von „Daydream Nation“. In diese und hundert andere Richtungen weisen die Koordinaten der von Sonic Youth selbst konzipierten Ausstellung „Sensational Fix" in der Kunsthalle Düsseldorf. Sie hat den Charakter eines Fan-Universums, indem sich die Wertigkeiten zwischen Planeten und Trabanten mitunter auflöst oder gar umkehrt. Darin liegt ihre Qualität. Im zerfransten Versuch, das Unmögliche umzusetzen. Fast überbordend spiegelt „Sensational Fix" die Beziehungen der Band mit ProtagonistInnen der Bildenden Kunst und eröffnet Fährten zu verwandten ideellen Netzwerken. Zu den Beatniks und Poetry-Subkulturen oder den MalerInnen der New York School. Gitarrist Thurston Moore sammelte Blätter von Allen Ginsberg, William Burroughs, Ira Cohen, D.A. Levy, Joe Brainard, Gregory Corso oder George Schneeman. Neben solchen privaten Aufrissen bringt „Sensational Fix" unter anderem Werke von Dan Graham, Vito Acconci, Tony Oursler, Cindy Sherman, Jenny Holzer, Christian Marclay, Isa Genzken, Tony Conrad, Jutta Koether, Paul McCarthy, Patti Smith, Robert Smithson, Ed Ruscha, Rita Ackermann und vielen anderen auf diesem Level. Dokumentiert sind neben der Entwicklung der Band durch Plakate, Plattencover oder Flyer vor allem Netzwerke und künstlerische Freundeskreise an Hand von Kunstwerken und Installationen. Somit ein Teil der Kulturgeschichte seit dem späten zwanzigsten Jahrhundert. Doch konstituiert „Sensational Fix" keineswegs eine große Erzählung über eine Strömung oder eine Ex-Alternative-Band. Dies unterläuft die unhierarchischen Präsentation, was noch mehr im additiven, vom eigenen Fantum der Gruppe geprägten und liebenswert chaotisch an den Wänden des KIT (eines alten Tunnels) präsentierten Ausstellungsteil zum Ausdruck kommt. Dennoch bleibt die Frage: Warum ausgerechnet jetzt diese Ausstellung? Denn Sonic Youth sind weitgehend abgehandelt. Schlicht und einfach, weil all die unzähligen Verweise und Verästelungen mit ihren multiplen Andockstellen einmal als Projekt umgesetzt werden mussten. Ebenso der aufschlussreiche Reader. In Düsseldorf steht „Sensational Fix" außerdem im Kontext eines Programmschwerpunkts mit Soundaffinität. 2004 etwa rollte die Kunsthalle das Umfeld der Elektroniker Mouse on Mars auf. Im Fall des Sonic Youth Projekts handelt es sich übrigens um eine Wanderausstellung, die zunächst im Museion in Bozen zu sehen war. Aber dort diskutierte man lieber über Frösche.
Mehr Texte von Roland Schöny

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Sonic Youth - Sensational Fix
31.01 - 10.05.2009

Kunsthalle Düsseldorf
40213 Düsseldorf, Grabbeplatz 4
Tel: +49-211-8996243, Fax: +49-211-8929168
Email: mail@kunsthalle-duesseldorf.de
http://www.kunsthalle-duesseldorf.de
Öffnungszeiten: Di-Sa 12-19, So 11-18 h


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