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Kritik und Krise

Kürzlich bin ich gelobt worden. Und das auch noch im sitten- und gedankenstrengen Wiener Kunstbetrieb. Mein Text über ihre jüngste Ausstellung, so versicherte mir die Galeristin, sei der beste gewesen. Zum Beweis reichte sie mir gleich die Mappe, in der sie liebevoll gesammelt hatte, was einen Besucher am gezeigten Künstler und Werk interessieren könnte. Es befand sich darin auch die Presseberichterstattung. Ich konnte mich überzeugen. Mein Text war in der Tat der beste. Er war der einzige. Er war der einzige, wenn man unter Text etwas anderes versteht als jene briefmarkengroßen Vorankündigungen und Nachhakeleien, anderes als jene Zehn-Zeiler, bei denen die orts- und landesansässige Journaille glaubt, Kunstkritik ersetzen zu können, indem man immerhin eine kleine Werbeinschaltung bringt. In Österreichs Presselandschaft findet keine seriöse Berichterstattung über Galerienarbeit mehr statt. Natürlich hat man erstens in den Printmedien notorisch zu wenig Platz und nimmt sich deswegen vor allem die öffentlich alimentierten Institute vor. Natürlich rennen zweitens zum Ägyptergold des Kunsthistorischen Museums mehr Leute als in die Seilerstätte, und man richtet sich also nach dem Publikumsinteresse. Und natürlich handelt sich drittens der Kollege vom \"Standard\" ausgerechnet dann seine Künstlerschelte ein, wenn er sich gerade in eine Galerie verirrt hat. Aber kann man in der Berichterstattung erstens nicht auf die sechste Kunsthallen-Ausstellung verzichten, wo dort doch schon die fünf vorhergehenden verschenkt worden sind? Und hat zweitens das MAK wirklich im Monat mehr Besucher als die Schleifmühlgasse am Eröffnungsabend? Und ist drittens die Künstlerschelte in aller Erbsenzählerei nicht vor allem ein Beweis dafür, dass man auf Kritik fast schon lauert? In Wien (wie anderswo) bedarf der Kunstbetrieb (wie andere auch) nach einer Haus-und-Hof-Zeitung, einem Leib-und-Magen-Blatt und Mitteilungsorgan, das integrierend, konzentrierend, synthetisierend wirkt. Die Presselandschaft in Österreich gibt ein solches Organ offenbar nicht mehr her. Doch vielleicht findet es sich ja im Internet.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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