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Anetta Mona Chisa, Lucia Tkacova - Footnotes to Business, Footnotes to Pleasure: Serielle Subversion

Politisch kritisch oder überdreht verspielt? Was Anetta Mona Chisa & Lucia Tkácová treiben, mag verwirren. Das subversive Stückwerk formaler Ansätze scheint ihre Ausstellung in der Wiener Galerie Christine König geradezu auseinander zu treiben. Dennoch lassen sich die Gravitationszentren ausmachen. Den Ausgangspunkt für die oft serielle Vorgangsweise von Chisa & Tkácová bilden Reflexionen über Gesellschaft und Ökonomie im Neuen Europa. Dabei nehmen sie den Kunstbetrieb auf die Schaufel, befragen den aktuellen Status von Gesellschaftskritik vor dem Hintergrund eines marginalisierten Historischen Materialismus und knallen identitätspolitische und genderspezifische Fragestellungen mitunter postfeministisch frech hin. Sukzessive offenbart sich der Hang zur formalen Systematik der aus zwei Hauptstädten – Chisa aus Prag und Tkácová aus Bratislava – eines ehemals zusammengehörigen kommunistischen Staates stammenden Künstlerinnen. Vertikal aufgereiht hängen da etwa ein paar triviale Objekte an der Wand. Titel: „Vienna Private Collection“ (2006). Diese sind Teil einer Sammlung von Gegenständen, welche die Künstlerinnen seit 2005 aus Galerien entwendet haben, die eine starke Marktposition einnehmen und als Trendsetter gelten. Offensichtlich, dass diese Piraterie traditionelle Wertsysteme unterläuft, indem Gebrauchs- und Tauschwert durcheinander gemixt werden. Auch andere Werke stehen unter diesem Zeichen. Der erste Band von Marx´ “Das Kapital“ wurde übersetzt in 22 591 händisch schwarz bemalte Tonkügelchen in einer Plastiktüte. Für jeden Punkt als Satzzeichen ein Kügelchen. Ein kynischer Kommentar. Kaum auszusprechen, was hier vom Marxismus blieb. Kein Zweifel, dass da weniger Altmeister künstlicher Ordnungssysteme wie Peter Greenaway Pate standen als vielmehr Jean-François Lyotards Wissenschaftsbericht über das Postmoderne Wissen („La condition postmoderne“, 1979). Im fast wörtlichen Sinn fragmentieren Erkenntniszusammenhänge in Sprachspiele, während „Identität“ unter postkommunistischen Bedingungen auf tönernen Füßen dahineiert. Eingefahrene Werkbegriffe behalten allerhöchstens als Idiosynkrasien ihre Gültigkeit. Konstruierte Systeme geben Chisa & Tkácová sogleich wieder dem Verfall anheim. Deshalb der unentwegte Wechsel. Etwa auf die Ebene von Schrift-Blättern basierend auf der Erkenntnis des Soziologen Vilfred Pareto, der die ungerechte Verteilung des italienischen Reichtums 1906 nach dem Schlüssel 80% der Güter in den Händen von bloß 20% der Bevölkerung nachwies. Was liegt näher als diesen Zynismus im Rahmen einer Werkserie auch noch auf Dutzende andere Sachverhalte anzuwenden? Und was näher, als daran zu erinnern, dass alle diese Weltkonstruktionen durchwegs männlichen Hirnen entsprungen sind? Im Bett liegend witzeln die Künstlerinnen darüber. Nein, nicht echt. Auf Video. Und nicht über das Denken, sondern über die Körper der Denker. Ein bisschen Reduktion muss sein. Selten hat in letzter Zeit eine Ausstellung derart erfrischend die Dialektik zwischen traditionellen Werkbegriffen und punktuellen Manifestationen unter dem Paradigma des Postkommunismus thematisiert. Doch Vorsicht: Hinter dem vordergründig Subversiven lauern erschreckende Abgründe.
Mehr Texte von Roland Schöny

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Anetta Mona Chisa, Lucia Tkacova - Footnotes to Business, Footnotes to Pleasure
16.01 - 07.03.2009

Christine König Galerie
1040 Wien, Schleifmühlgasse 1a
Tel: +43-1-585 74 74, Fax: +43-1-585 74 74-24
Email: office@christinekoeniggalerie.at
http://www.christinekoeniggalerie.at
Öffnungszeiten: Di-Fr: 12-18h
Sa 12-16h


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