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Young and Reckless 8: Franz Erhard Walther: Durch den Atlas der Avant Garde

Hoppauf. Zurück in die Gegenwart. Auf ins Zeitgenössische. „Young & Reckless“ als Motto der Ausstellungen von BAWAG Contemporary kommt gut. Gemeint aber ist kein aufs biologische Alter bezogener Jugendkult. Franz Erhard Walther ist mehr alter Recke, denn „Reckless“. Nicht sorglos, sondern ein bedachtsam arbeitender Vordenker, dessen Konzepte Generationen von KünstlerInnen beeinflussten. Dass Kasper König bereits Ende der 1960er Jahre das erste Künstlerbuch Walthers herausgab und Harald Szeemann Werke Walters in der legendären Schau „When Attitudes become Form“, 1969 in Bern und London, präsentierte, mag dem jungen Publikum heute andeuten, in welchem Kontext der damals genau 30-jährige auftrat. Es ging um Prozesse, um Situationen um Information, um einen Kontrapunkt zur Dominanz von Tachismus und geometrischer Kunst. Weichensteller einer neuen Kunstauffassung war Franz Erhard Walther. Dessen Werkstücke, von denen einige wenige dokumentarisch ausgestellt sind – ein Seil und „Zwei rotbraune Samtkissen (gefüllt und leer) etwa – waren nicht auf besondere ästhetischen Qualitäten ausgerichtet, sondern waren funktionale Instrumente. Sie verstanden sich als Einladungen, Aufforderungen, sie zu erfahren, zu handhaben, mit ihnen umzugehen. Von Seiten des Künstlers wurden sie freigegeben für mentale Dialoge, deren Bedeutung nicht mehr der Produzent, sondern die RezipientInnen bestimmten. Somit: Ähnlich wie seit dem 19. Jahrhundert zwischen Signifikat und Signifikant unterschieden wird, zerfiel die klassische Einheit des Werks in materielles Objekt und individualisierte Bedeutungszuschreibung. Im Hintergrund war noch ein wenig die Stimme Duchamps hörbar. Wie Jahrzehnte vorher bedurfte es noch des Künstlersubjekts, das sagt, dass es so sein kann. Maßgeblich jedoch eine Dialektik zusammengesetzt aus formulierter Idee und Loslassen. Dies gilt insbesondere für Walthers sogenannte Schreitstücke. Zuvor schon hatte er auf Papier mit Flüssigkeiten experimentiert, dieses nicht bloß als Träger eindeutig festgelegter Darstellungen verwendet, sondern materielle Veränderungen der Oberfläche prozesshaft in die Arbeit einbezogen. Außerdem: Installationen mit Stoff und später dann verschiedene Sockel, Wandformationen oder raumgreifende Installationen. Die Etablierung neuer Erfahrungsmöglichkeiten durch Franz Erhard Walther führte aber nicht zur finalen Auflösung des Werks. Dies veranschaulicht jetzt die BAWAG Contemporary mit der Faksimile-Präsentation von Walthers demnächst erscheinender gezeichneter und handschriftlich verfasster Autobiografie. „Sternenstaub – ein gezeichneter Roman“ entstanden zwischen 2007 und 2008. Ein Atlas durch die Geschichte der euroamerikanischen Nachkriegsavantgarde aus persönlicher Sicht. Unmöglich alle 524 A 4 Blätter stehend im Ausstellungsraum zu lesen. Doch egal wo man reinzoomt in dieses Werk, das visuell an eine Kombination aus Storyboards und künstlerischem Skizzenbuch oder auch an die dokumentarischen Zeichnungen eines Rirkrit Tiravanija erinnert und weitflächiger als Cinema Scope ist, überall begegnet man einem Künstler, der bedächtig die Entwicklung der Kunst vor einer rasant ablaufenden zeithistorischen Folie reflektiert und stets danach fragt, was es bedeuten kann „zeitgenössisch“ zu sein. Hier liegt ein entscheidendes Moment dieser Präsentation, in der Relationen zurechtgerückt werden.
Mehr Texte von Roland Schöny

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Young and Reckless 8: Franz Erhard Walther
02.07 - 02.08.2009

BAWAG P.S.K. Contemporary
1010 Wien, Franz Josefs Kai 3
http://www.bawagpskcontemporary.at
Öffnungszeiten: täglich 14-20h


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