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Hermetisch hinterm Bahnhof

Es könnte fast Södermalm sein. Na gut, die Infrastruktur draußen ist noch ein bisschen dünn, aber auch die teils renovierten Dreißiger-Jahre-, teils neu errichteten Wohnbauten, die das neue Zentrum für zeitgenössische Kunst DOX umgeben, vermitteln Atmosphäre. Auf Glasbalkonen sitzen zufriedene junge Menschen, in einiger Entfernung sieht man andere auf einem Fußballplatz trainieren. Wir sind aber nicht in Stockholm, sondern in Prag, im eher industriell geprägten Quartier hinter dem Bahnhof Holesovice, das bislang wenig zu bieten hatte, nun aber einen beachtlichen Aufschwung zu nehmen scheint. Einen der Angelpunkte der Gentrifizierung bietet dabei das nach fünfjähriger Planung am 19. Oktober dieses Jahres eröffnete DOX. Während die Umgebung ein gewisser Shabby Chic auszeichnet, hat die Architektur von Ivan Kroupa der ehemaligen Metallwarenfabrik aus dem späten 19. Jahrhundert kaum etwas von ihrer industriellen Vergangenheit gelassen. Das Kunstzentrum gibt sich auch in seinem baulichen Erscheinungsbild weitgehend als cleaner, weißer Neubau. Unter der Direktion von Leos Válka und der künstlerischen Leitung von Jaroslav Andel und mit Unterstützung eines internationalen Advisory Board kann das DOX auf einer Gesamtfläche von 6250 qm mit Ausstellungsräumen von 2510 qm operieren; für nächstes Jahr ist noch eine Erweiterung geplant. Design- und Bookshop und ein Café mit großer Terrasse sind im Inneren des Komplexes angesiedelt, haben daher keinerlei straßenräumliche Wirkung und schließen mit der Ausstellung, je nach Wochentag um 18 bzw. 19 Uhr, so dass die Umgebung abends doch wieder in eine starke Ödnis zurückfallen dürfte. Wie sich das DOX insgesamt überhaupt sehr hermetisch gibt – schade angesichts des immer wieder beschworenen dynamischen Potentials des Viertels. Das Thema der Eröffnungsausstellung mutet zunächst ein wenig anachronistisch an – die gegenwärtige Krise hat ihm aber ungeahnte Aktualität verliehen. Fast zu viel Raum steht den voluminösen Arbeiten auf den stark voneinander separierten fünf Ebenen zur Verfügung. Wie künftige Bespielungen hier eine Einheit herstellen werden, darauf darf man gespannt sein.
Mehr Texte von Iris Meder †

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