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Yerbossyn Meldibekov und Nurbossyn Oris - Halluzination: Trümmerhaufen aus Pferdefleisch

Wo sich früher eine Lenin-Statue emporstreckte, thront nun Dschingis Khan. Dieser trat ebenfalls an die Stelle von Michail Iwanowitsch Kalinin, und dort, wo einst ein altes Gebäude verfiel, steht heute ein unsäglich hässliches Bahnhofsgebäude. Die „Serie Familienalbum“ von Yerbossyn Meldibekov geht nach dem Vorher-Nachher-Prinzip vor: Der Künstler – gemeinsam mit seinem Bruder Nurbossyn Oris, beide aus Kasachstan, stellt er in der Knoll Galerie aus – hat Fotos, auf denen Leute vor Sehenswürdigkeiten oder wichtigen Gebäuden posieren, Jahrzehnte später nachgestellt. Derart manifestiert sich nicht nur der Alterungsprozess der Abgebildeten, sondern auch der enorme Wandel, der dieses Gebiet der ehemaligen UdSSR erfasst hat. Das „Familienalbum“ zählt noch zu den harmloseren Arbeiten dieser Schau: Gleich am Eingang etwa begrüßen Fotografien von Giacometti-Remakes die Besucher: Dessen Skulpturen hat Meldibekov mit Pferdefleisch nachgebaut, darauf machen es sich Fliegen gemütlich, Haare stehen dort und da ab – einfach ekelhaft. Weiter hinten vier Pferdehufe, ebenfalls von Meldibekov – inspiriert von Donatellos Reiterstatue des Gattamelata. Nurbossyn Oris‘ Interpretationen westlicher Kunst scheinen zunächst weniger grausam – Günther Ueckers Nagelbilder geraten bei ihm zu Stühlen und Platten, auf denen er Streichhölzer verbrennen ließ; folkloristisch angehauchte Keramiken verziert er mit Drucken von Kamelen, die schweres Geschütz tragen. „Wenn die Epoche der russischen Avantgarde eine Epoche der Hoffnungen und der Suche nach neuen Formen war, dann ist die Kunst der Brüder Meldibekow die Präparierung des Leichnams der idealistischen Utopie“, schreibt Dastan Kozhachmetow. Die feinste Klinge führen die beiden bei ihren Präparationsarbeiten gewiss nicht. Die Brachialität, die Brutalität, die Radikalität, mit der die beiden vorgehen – die ebenso eine gewisse Tradition hat – ist jedoch ein probates Mittel, um, wie es Kozhachmetow ausdrückt, „auf den Trümmern und mit den Trümmern der kommunistischen Welt“ zu arbeiten.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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Yerbossyn Meldibekov und Nurbossyn Oris - Halluzination
22.01 - 21.03.2009

Knoll Galerie Wien
1060 Wien, Gumpendorfer Straße 18
Tel: +43 1 587 50 52, Fax: +43 1 587 59 66
Email: office@knollgalerie.at
http://www.knollgalerie.at
Öffnungszeiten: Di-Fr 14-18, Sa 13-15h


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