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Wangechi Mutu - In Whose Image?: Horror Beauties mit zerschnittenen Seelen

Der Hang zur Deformierung des eigenen Körpers und die Lust ihm Schmerzen zu zufügen tauchen in vielen Kulturen auf und haben unterschiedliche psychosomatische Ursachen und kulturelle Bedeutung. Bei Naturvölkern waren Tattoos oder Schnitte am Körper mit sozialer Wertschätzung gesegnet, in der kommerziellen Gegenwart sind sie vielmehr Erscheinung der Mode oder individueller Lebenseinstellung. Das übergreifend hybride aus unterschiedlichen Materialien wie Zeitungsclips, Pornomagazinen, medizinischer Bücher, Glitter, Klebebänder oder Hasenfell und Leder zusammengeklebte, farbig reizvolle Collagenwerk der aus Kenia stammenden und Mitte der 1990er nach New York übersiedelten Künstlerin Wangechi Mutu bevölkern groteske und seltsam gemischte Einzelwesen, mit denen sie in Amerika rasch zu einem Kunststar wurde. In kürzester Zeit rückte sie in den Rang international anerkannter VertreterInnen des postmodernen künstlerischen Globalismus, wie Nara, Murakami oder Essenhigh. Herausfordernd greifen Mutus Figuren die stereotypischen Signifikanten einer mystisch, primitiv, einfältig und postkolonialen „exotischen Weiblichkeit“ auf. Sie verkörpern auch westliche Ideale zügelloser Sexualität und wirken darin gleichermaßen unschuldig wie schuldig: „Amazing Graces“, Witches oder afrikanische Lara Crofts – die aufrührerischen starken und zugleich neurotischen Frauen, die selbstbewusst mit Bösem kämpfen und denen man besser nicht im Weg steht. Im project space der Kunsthalle Wien am Karlsplatz präsentiert Wangechi Mutu vor allem Porträts: ihre bekannte Collagen Edition “Histology of the Different Classes of uterine Tumors” sowie neue Doppelporträts, die vergleichbar mit Fahndungsfotos eine Reihe fantastischer Gesichter frontal und im Profil darstellen. Diese bestehen im Detail aus verschiedensten Körperteilen, Schmuck und Motorradteilen, die überraschend gespaltet, gewunden und verortet fließend in einander übergehen. Die Porträts der anonymen Horrorhybriden sind von wahrer malerischer Pracht und kunsthistorischer Überlegenheit des Hofmalers Arcimboldo und der Eleganz Gustav Klimts. Die früheren auf populärwissenschaftlichen Diagrammen ausgeführten Collagen zeigen dagegen die maskenhaften Porträts mutierender Kreaturen, die polymorphe bis perverse Varianten diverser Krankheiten einer Gebärmutter ins Monströse steigern. Die immer wieder mit schwarzen Glitter dekorierten ungeheuren Gesichter, die sich an ornamentale (Todes) Masken anlehnen, verbinden mit Hilfe der ungebrochenen Linie der Tintenzeichnung die moderne Vision mit dem Ursprung und der Folklore. Stereotypen bedeuten aber wie Homi K. Bhaha in der „Verortung der Kulturen“ schrieb zugleich ein Substitut und Schatten. In Europa oder genauer in Wien, wo ein Chinese, ein Türke oder Menschen anderer Herkunft in absehbarer Zukunft kaum eine staatstragende Führungsrolle übernehmen werden, bleibt zu hoffen, dass Mutus Beauties nicht im Schatten des postkolonialen Exotismus hängen bleiben und als apokalyptisch oder bloß radikal chic gelten.
Mehr Texte von Goschka Gawlik

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Wangechi Mutu - In Whose Image?
12.11 - 07.12.2008

Kunsthalle Wien Karlsplatz
1040 Wien, Karlsplatz/Treitlstraße 2
Tel: +43 1 52189-0
Email: office@kunsthallewien.at
http://www.kunsthallewien.at
Öffnungszeiten: Di-So 11-19, Do 11-21 h


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