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Giorgio de Chirico. Werke 1909-1971 aus Schweizer Sammlungen: „Pictor optimus“

Von mangelndem Selbstbewusstsein wurde Giorgio de Chirico nicht einmal in seiner späten Adoleszenz geplagt. In einem Selbstporträt von 1911 – de Chirico war damals 23 Jahre alt – ahmte er die Pose nach, die Friedrich Nietzsche auf seinem berühmten Porträtfoto einnimmt. Später bezeichnete er sich in seinen Selbstbildnissen als „Pictor Optimus“ oder überschrieb sie mit Sätzen wie „Ewiger Ruhm wird mir zuteil, auf dass ich immer und allenthalben gepriesen werde“ (in diesem Fall ein Ovid-Zitat). Wie eine sehenswerte Ausstellung in den gediegen-bürgerlichen Räumen des Kunstmuseums Winterthur vorführt, wandte sich de Chirico mit derartigen Bezügen auf Antike oder aber Renaissance und Barock stets mehr in die Vergangenheit denn in die Zukunft – ganz im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen, die sich lieber als Teil von Kollektiven, als Zufallsgeneratoren oder als Ingenieure gerierten denn als Malerfürsten wie de Chirico. Da ruhen sich verbeulte Gladiatoren von sichtlich harten Kämpfen aus, da bröckeln die Mauern von Arkadengängen, da arbeiten aus antiken Bauteilen zusammengesetzte „Rechner“ nicht auf einem Abakus, sondern auf einem abstrakten Bild. Allerdings zeigt man nicht nur die prominente pittura metafisica mit ihren weiten, ungewissen Plätzen, ihren finsteren Schlagschatten und ihren aus geometrischen Elementen oder architektonischen Versatzstücken assemblierten Figuren, sondern auch die späteren, recht schwülstigen Malereien, deren vibrierende Oberflächen an die Malerei des alternden Renoir erinnern. Es fällt zwar schwer, sich damit anzufreunden – eine Schau, die den Anspruch einer Retrospektive stellt, darf jedoch auch eher befremdliche Phasen nicht ignorieren. Dass de Chirico am Ende seines Lebens die pittura metafisica reanimierte, ist wohl unter anderem finanziellen Gründen zuzuschreiben. Seine „Bagni misteriosi“, in denen Menschen in Bädern sitzen und stehen, vermögen mit ihrem kryptischen Bildprogramm heute noch zu fesseln. Angeblich wurde der Maler einmal von Fernsehreportern darauf angesprochen, dass er die Pop Art vorweggenommen habe. Der Vergleich mit den Buben der Leipziger Schule mit ihren rätselhaften, rückbezüglichen Szenarien wirkt heute treffender.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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Giorgio de Chirico. Werke 1909-1971 aus Schweizer Sammlungen
23.08 - 22.11.2008

Kunstmuseum Winterthur - Beim Stadthaus
8400 Winterthur, Museumstrasse 52
Tel: +41 52 267 51 62
Email: info@kmw.ch
http://www.kmw.ch
Öffnungszeiten: Di 10-20, Mi - So 10-17 Uhr


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