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Joseph Beuys - Schamane: Fragwürdige Mythologien

Anlässlich der großen Beuys-Retrospektive im Hamburger Bahnhof in Berlin publizierte jüngst der Kunsthistoriker Beat Wyss in der Zeitschrift „Monopol“ einen Artikel über den Künstler mit dem sinnträchtigen Titel „Der ewige Hitlerjunge“. Wyss attestiert Beuys darin die „habituelle Verschmelzung von völkischem Wandervogel und Achtundsechziger-Rebell“, der junge Beuys sei „wie ein Fisch im Wasser des braunen Zeitgeistes“ geschwommen. Vielleicht erscheinen Wyss‘ Formulierungen etwas polemisch. Ganz von der Hand zu weisen sind sie jedoch nicht. Nun zeigt die Kunsthalle Krems Arbeiten von Beuys vor der Folie des Schamanen. Dabei nimmt man eine affirmative Haltung ein – das äußert sich schon in der Tatsache, dass per Saaltext prominent Beuys‘ Legende von seinem Stuka-Absturz über der Krim, wo ihn angeblich die Tataren in Fett und Filz packten, erzählt wird („An dieser Darstellung ist alles Märchen, außer der Tatsache, dass am 16. April 1944 bei Freifeld, in der nördlichen Krim, eine Ju 87 abgeschossen wurde“, schreibt Wyss). Unter verschiedenen Aspekten wie etwa „Mythen und Rituale“, „Natur und Naturmystik“ oder „Medizin und Alchemie“ demonstriert die Ausstellung, wie Beuys sich an verschiedenen Materialien abarbeitete – formal spannend etwa seine feinen grafischen Arbeiten aus der „Kölner Mappe“. Auch hier jedoch stößt man immer wieder auf, gelinde gesagt, eigenartige Bilder wie etwa seine „Tierfrau“ – die Mystifizierung und Animalisierung des weiblichen Körpers (Beuys: „Der Hase [...] hat starke Beziehungen zur Frau, zur Geburt, auch zur Monatsregel“) mutet heute wie auch schon damals patriarchal an; ebenso wie seine Bienenstaats-Fantasien, die sich in der Ausstellung in einigen Grafiken manifestieren (Wyss: „So ein Gesellschaftsideal erinnert fatal an den Ständestaat wie er etwa in Österreich als nationalkonservative, katholische Konkurrenz zum deutschen Nationalsozialismus [...] bestand“). Beuys in einer Art Höhle, Beuys, wie er dem toten Hasen die Kunst erklärt, Beuys und das Hasenblut, Beuys, der mit dem Hintern Schokolade auf Tücher stempelt und damit das Leichentuch Christi assoziiert: All diese Bilder entsprechen der Legende, die Beuys um sich spann. So wird die Schau dem Künstler auf jeden Fall gerecht. Kritische Distanz zu den teils fragwürdigen Mythologien vermisst man jedoch – auch im Ausstellungskatalog.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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Joseph Beuys - Schamane
28.09.2008 - 01.03.2009

Kunsthalle Krems
3500 Krems, Franz-Zeller-Platz 3
Tel: +43-2732 90 80 10, Fax: +43-2732 90 80 11
Email: office@kunstalle.at
http://www.kunsthalle.at
Öffnungszeiten: Di - So und Mo wenn Feiertag 10-18 Uhr; in den Wintermonaten 10-17 Uh


Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Kunsthalle Krems: Joseph Beuys - Schamane
Heinz Baumüller | 12.11.2008 03:58 | antworten
Da Frau Schedlmayer sich auf den Artikel von Beat Wyss im MONOPOL Nr.10/2008 stützt, erlaube ich mir, meinen Leserbrief dazu, der im Monopol nicht abgedruckt wurde, nachstehend kundzutun. Betrifft: „Der ewige Hitlerjunge“ von Beat Wyss in MONOPOL Nr.10/2008 Eigentlich bräuchte man nur den 1. Absatz dieses ganzen Filibustergesülzes zu lesen um zu merken, daß der Mann keine Ahnung hat, wovon er spricht. Und er will es wahrscheinlich auch gar nicht wissen, wie so viele seiner Kollegen auch, denn wenn man der Sache auf den Grund ginge, wäre sofort das eigene Denken und Handeln in Frage gestellt. Daher sagen sie sich: lieber Beuys nicht anpacken, und wenn ja, total durch den Dreck ziehen – und da scheint jedes Mittel recht zu sein. Beat Wyss, Professor an der HfG in Karlsruhe, müßte eigentlich selber an der Einmischung des Staates in die Belange seiner Schule leiden. Gut, er vielleicht nicht, aber viele Kollegen an den diversen Schulen und Universitäten klagen über den immensen Bürokratismus an ihren Lehranstalten. Aber er lobt gleich zu Anfang das System, das Klassengrößen auf 30 Studenten festlegte, was ihm „didaktisch eigentlich ganz vernünftig“ vorkommt. Daß Beuys schlichtweg auf das Recht pochte, daß jeder Mensch das studieren dürfen muß, was er möchte, dürfte ihm völlig entgangen sein. Ich könnte jetzt all diesen Unsinn Punkt für Punkt durchgehen, von Beuys´ Kleidung, die ein „paradoxes Unikat einer Uniform“ sein soll (sie bestand aus Jeans, weißem Hemd, Hut und Fischerweste) über die Behauptung, er hätte seinen Studenten Rudolf Steiner und die Anthroposophie verschwiegen (Beuys verwies ganz oft auf Steiner) oder das Ablästern über den von Rauschen der Honigpumpe begleiteten Laiendiskurs auf der documenta 6 (meine Güte, gerade dieser alles umfassende Beitrag), oder: „Beuys´ Vorstellung von Politik als ´sozialer Plastik´ ist patriarchal bis ins Mark“ (es handelt sich um Direkte Demokratie – Volksabstimmung) bis hin zur – machen wir es kurz – Verurteilung des Gefreiten Beuys´ General, Erich von Manstein, zu 18 Jahren Haft wegen Kriegsverbrechen. Das muß man sich alles erst mal auf der Zunge zergehen lassen. Doch, eines nur noch: daß Herr Wyss meint, daß „das austrofaschistische Emblem des Kruckenkreuzes Beuys´ Symbol des Braunkreuzes nicht unähnlich sehe“ kann natürlich leicht passieren, wenn man nicht weiß, daß Beuysens Braunkeuz keine Form sei sondern die Bezeichnung seiner speziellen braunen Farbe. Aber gut. Es gibt auch was anderes. Mitte Oktober, erscheint zur Frankfurter Buchmesse „Der ganze Riemen“ von Johannes Stüttgen, herausgegeben vom Landesmuseum Darmstadt im Verlag Walter König. Und zwar beschreibt darin Johannes Stüttgen auf rund 1080 Seiten Joseph Beuys als Lehrer zu seiner Zeit als Student von 1965 bis 1970 und darüber hinaus bis zum Rauswurf von Joseph Beuys aus der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf 1972 durch den damaligen Wissenschaftsminister von NRW, Johannes Rau, den späteren Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland. Er beschreibt darin unter anderem diverse Ausstellungen und die dort gezeigten Exponate, sowie die vielen Aktionen von Beuys in dieser Zeit. Stüttgen war Mitbegründer der Deutschen Studentenpartei (DSP) und Geschäftsführer der von Beuys gegründeten Freien Internationalen Universität (FIU) bis zu Beuys´ Tod 1986, also sein engster, wichtigster und längstjähriger Mitarbeiter. Hier wird einem zum ersten Mal die ganze Dimension der Idee der Sozialen Plastik in vollem Umfang bewußt. Ich selber war Mitarbeiter von Beuys und bin dadurch zu einer völlig anderen Denkweise gekommen als diejenige, die mir zuvor in meinen 3 absolvierten Kunststudien gelehrt wurde. Ich habe mich mit nichts und niemandem so intensiv beschäftigt als mit Joseph Beuys und dessem Werk. Jetzt hatte ich das Vergnügen, den ganzen Riemen bereits 2-mal lesen zu dürfen und ich habe jedesmal wieder so viel Neues dazugelernt, unglaublich. Ich garantiere Ihnen, daß sie auf der ganzen Welt kein besseres Kunststudium machen können, als durch die Lektüre dieses einen Buches. Dies möchte ich Herrn Wyss ganz besonders ans Herz legen. Und wenn er dann immer noch glaubt, dagegen polemisieren zu müssen, ein weiterer Tipp: man kann’s auch 3 x lesen – und öfter. Heinz Baumüller

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