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3 Störungen im Sommerloch

Was ein heilig-katholisches Bergvolk stört: Ein Frosch. Kippenbergerisch und museal gekreuzigt. Eine Provokation, die provokanter nicht sein kann. „Eine ekelerregende Blasphemie“, die Politiker dazu zwang, aufbrüllend aus dem Museum zu sprinten. Eine Blasphemie, die eine uneinsichtige Kuratorin trotz hervorgerufener politischer Herzattacken und Kreislaufkollapse nicht dazu bewegen konnte, diesen aufrührerischen Frosch abzuhängen und in ein unheiliges Land transportieren zu lassen. Wie soll dieses Südtirol mit dieser ungeheuren Schmach fertig werden. Wird die ferne Großstadt Rom dieses scheingläubige Völkchen vielleicht sogar noch der Lächerlichkeit preisgegeben? Naja – dort lacht aber keiner mehr. Was einen kleinen Großpolitikermacho stört: Ein tiepolonisch sichtbares Brustwarzerl. Reproduziert auf einem Hintersetzer im Pressesaal des italienischen Ministerpräsidenten verwirrte Silvio Berlusconi so sehr, dass er diesen röslichen Erregungspunkt auf Empfehlung seiner zensurgeilen Berater malerisch bis zur Unsichtbarkeit bezüchtigen ließ. Jetzt ist natürlich das von der Süddeutschen Zeitung ausgerufene „Nipplegate macciato“ durchaus zu Recht ein bissl verblödelt. Aber andererseits kann das von Berlusconi bereits realisierte militärische Aufrüsten vor Roms Denkmälern und Kirchen durchaus auch als martialische Vorbereitung angesehen werden, die Bevölkerung vor allen originalentblößten Renaissance- und Barockbrüsten zu schützen. Was mich stört: Dass ein schickimickialisches Jazzlokal namens „Birdland“ nach öffentlichen Fördergeldern schreit, nur weil es weder mit einem Baukostenzuschuss von mehr als 700.000 € auskam, noch in der Lage war, durch vernünftiges Wirtschaften einen Konkurs abzuwenden. Und dann noch ein Geschäftsunführer namens Resch der meint „die Stadt kann nicht so tun, als würde sie das Birdland nichts angehen“ In Anbetracht der zahlreichen innovativen Kulturaktivitäten, die nicht gefördert werden (können), hat die Stadt Wien vielmehr die Pflicht nichts zu tun.
Mehr Texte von Manfred M. Lang

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Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Logorrhoe
Ingeborg Knaipp | 28.08.2008 11:20 | antworten
Wenn unser Artmagazine-Rhapsode von seinem Trip wieder runterkommt, wird er bemerken, daß im Zustand der Nüchternheit Wortschöpfungen wie „röslich“, „schickimickialisch“ und „tiepolonisch“ weit weniger genial rüberkommen als ehedem gedacht, und daß „macciato“ in keinem Wörterbuch steht. Auch die Polemik gegen Tiroler Katholiken, die ein Kunstwerk Martin Kippenbergers für blasphemisch halten, wird sich als etwas bedauerlich Abgedroschenes erweisen: als wohlfeile Geste eines leeren Pathos. Schließlich wird kein Künstler und kein Galerist, der sich für einen Helden im Kampf gegen die Provinzialität oder Unaufgeklärtheit oder was immer hält, mehr auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Die Solidarisierung mit Blasphemikern aller Art ist also gefahrlos und gratis zu haben – dergleichen wird heute nicht mehr unter Lebensgefahr geäußert und ist daher unter der Rubrik Eitelkeit zu subsumieren, ähnlich jenen Widerstandsakten, die im gemeinsamen Anhören von Popsongs gipfelten. Die gute Nachricht: man kann auch ohne Drogen und ohne Adjektiva Kolumnen verfassen!

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