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Ausnahmesensorien

Ästhetik, schreibt Jacques Rancière, das sei für ihn wie für Gilles Deleuze „das Denken der Kunst als Konstruktion eines Ausnahmesensoriums.“ Gemeint ist eine besondere sinnliche Erfahrung. Diese dem Ästhetischen eigene Sinnlichkeit unterscheidet sich laut Rancière von anderen sinnlichen Erfahrungen: Sie gehorcht weder den Kategorien der Erkenntnis noch denen des Begehrens. Das Schöne widersteht demnach zugleich der begrifflichen Bestimmung wie auch der Verlockung der konsumierbaren Güter. Mit diesem „weder noch“ beantwortet Rancière die Titel gebende Frage seines jüngst auf Deutsch erschienen Buches nach der Widerständigkeit der Kunst. Darin ist das Denken Gilles Deleuze´ ständiger Bezugspunkt. Das gilt nicht nur für das Vortragsmanuskript, sondern vor allem im angehängten Gespräch mit den Herausgebern entwickelt Rancière in Auseinandersetzung mit dem Poststrukturalisten sein Konzept des ästhetischen Regimes. Das Gespräch spannt den Vortrag zudem in die zentralen Gedanken Rancières aus früheren Werken wie „Die Namen der Geschichte“ und „Die Aufteilung des Sinnlichen“ ein. Seine Beschäftigung mit jener Aufteilung, die er als „Veränderung des Universums der Wahrnehmung“ begreift, hat ihm in den vergangenen Jahren viele Fans eingebracht. So gehört der (abtrünnige) Schüler von Louis Althusser gegenwärtig wohl zu den angesagtesten Philosophen im künstlerischen Feld. Auf besonderen Zuspruch trifft dabei seine Idee einer „Politik der Ästhetik“. Diese der Ästhetik eigene Politik gebe es, „weil die Politik zunächst das betrifft, was man sieht, was man darüber sagt und was man damit machen kann.“ Es geht Rancière darum, bisher Ungesehenes sichtbar werden, das Unsagbare nicht nur mehr Lärm sein und die bislang Ohnmächtigen machen zu lassen. Aber in der Tradition kritischen Kunstsoziologie steht er nicht. Denn statt auf die Untersuchung von Produktions- und Perzeptionsverhältnissen setzt er auf den interesselosen, also ästhetischen Blick. Gerade die vorgebliche Interesselosigkeit aber steht im Zentrum einer soziologischen Kunstkritik. Von dieser grenzt er sich ab und plädiert für die Aufrechterhaltung der Spannung zwischen interessiertem Gemeinsamen und interesselosem Singulärem. Dass die Kunst diese Spannung pflegt und nicht in Politik übergeht, darin bestünde ihr Widerstand. Jacques Rancière: Ist Kunst widerständig? Berlin 2008 (Merve Verlag) 109 Seiten, 8,- Euro www.merve.de
Mehr Texte von Jens Kastner

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