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ö + d = öd

„Es gibt nur eine Möglichkeit: Sieg, Unentschieden oder Niederlage“, wie es der „Kaiser“ Beckenbauer einmal so trefflich formulierte, und dummerweise haben sich die Deutschen dann doch für die Möglichkeit des Siegs entschieden. Und das, obwohl es lange danach aussah, als ob auch ein Unentschieden eine echte Option hätte sein können, vor allem, nachdem Mario Gomez fünf Minuten nach Beginn das Kunststück vollbrachte, den Ball nicht, wie es sich ja eigentlich für jemanden geziemt, der von Barcelona eingekauft werden will, aus zwei Metern Entfernung mit teutonischer Humorlosigkeit geradewegs ins Tor zu bugsieren, sondern ihn stattdessen eine lustige und mathematisch einwandfreie Hyberbel beschreiben zu lassen, sodass er dem wacker zurückgeeilten Garics auf der Torlinie noch auf den Kopf fallen durfte und hernach vor den Augen des verdutzten Ex-Torjägers davonkullerte. Danke, Mario! Den hätte sogar, Gott hab sie selig, meine Großmutter reingemacht. Und auch ein Martin Harnik hätte in dieser Situation vielleicht einmal getroffen, jener Harnik, der als Bremer Legionär durchaus intime Kenntnisse über die hygienischen Standards seiner deutschen Mitspieler besitzt und ihnen deshalb rundheraus prophezeien konnte, sich vor diesem Spiel in die Hosen zu machen. Und irgendwie wirkte es tatsächlich so, als trügen die Deutschen den berühmten happelschen Beistrich in ihrem Beinkleid, die Angst, sich beim kleinen Bruder zu blamieren, saß also tief. Das sah dann wohl auch der Jogi, dessen blütenweißes Hemd doch in großem Kontrast dazu erstrahlte, weshalb er so lange in seiner abgezirkelten Zone tobte, bis der Schiedsrichter Mitleid mit ihm bekam und ihn auf die Tribüne verwies (wo er sogleich Trost von der sämtlich angereisten deutschen Prominenz, etwa von Boris Becker und dessen Mutter, erfuhr). Wobei man sich als patriotisch empfindender Beobachter schon ein wenig gekränkt davon zeigte, wie sehr „Hicke“ gemeinsame Sache mit dem Jogi machte, als die beiden sich zuvor gegen den „Vierten Mann“ verschworen: Muss man denn wirklich so offensichtlich mit dem Erbfeind fraternisieren, mit allen körperlichen Konsequenzen wie unaufhörlichem Händereichen, Schulterklopfen und Oberarmtätscheln? Aber trotzdem, meine Herren: Das war große Oper! Es hat zwar niemand genau verstanden, worum es bei der Aufregung eigentlich ging, doch mitreißend war es allemal. Und eigentlich hätte danach der Vorhang auch schon endgültig fallen können, denn alles, was darauf noch folgte, war ärmlich, war ein nichtswürdiges, nicht EM-würdiges Trauerspiel: zuerst die spielentscheidende Granate von Ballack (gut, das war ein ganz schöner Schuss, aber wesentlich aufsehenerregender war bestimmt die komplementäre hässliche Fratze, die der Mann dabei zog), die auf österreichischer Seite jede Hoffnung ersterben ließ, aber das deutsche Spiel trotzdem nicht belebte, was zu einem mutlosen, öden Kick hier und einem ideenlosen, müden Kick dort führte; irgendwie verwunderlich bzw. leicht ärgerlich nur, dass die Österreicher sich beinahe widerstandslos in die Niederlage fügten, dass es kein stürmisches Aufbäumen dagegen gab, wie es beispielsweise einen Tag zuvor die Türken gegen die Tschechen letztlich so erfolgreich zeigten. Doch zur Strafe wird man sie dafür auch noch die nächsten 30 Jahre mit dem Märchen von Cordoba quälen. Immer und immer wieder. Österreich.
Mehr Texte von Peter Kunitzky

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