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Isa Rosenberger: Die Erinnerungsarbeiterin

Von der Schönheit, die von der chemischen Industrie ausgehen würde, spricht voller Emphase und Euphorie der historische Kommentar zur Wolfener ORWO-Filmfabrik in Isa Rosenbergers Film „Ein Denkmal für das Frauenzentrum (The Making Of)“. Vor dem Verwaltungsgebäude der Firma stand die lebensgroße Bronze-Statue „Die Chemiearbeiterin“ (von Gerhard Markwald, 1964). Die Ästhetik der Industrieproduktion – die ihr eigene wie die, die sie hervorgebracht hat – ist verschwunden. Der leere Sockel wird im Film von der Frau erklommen, die vor mehr als vierzig Jahren für die Figur Modell stand. Wie ihre meisten Kolleginnen hat auch sie nach 1989 ihren Job verloren, wie bei allen Abwicklungen und Umstrukturierungen von DDR-Betrieben waren zuerst Frauen ihren Arbeitsplatz los. In Wolfen waren es besonders viele. Dass Magdalena Brandl, das Ex-Modell, den Sockel heute selbst besteigt, wird im Katalog zugleich als Ablehnung von Repräsentation und als Aneignung interpretiert: „Die Frau betritt selbst den Sockel, braucht also gar kein Denkmal“ (Barbara Steiner). Dass aber repräsentiert zu werden nicht immer bloß ein Akt der Herrschaft ist, dessen Zurückweisung zu feiern wäre, sondern auch Teilhabe und Ermächtigung bedeuten kann, davon handelt gerade Rosenbergers Arbeit. Sie lässt Erinnerungsprozesse von Frauen ausgehen, und zwar genau zum Zwecke dieser Partizipation. Männer schließlich haben ihre Versionen der Geschichte schon überall stehen, nicht nur in Form von Türmen und Brücken, das aber gleich beides in einem Bauwerk in Bratislava. Um die Einpfeilerbrücke Nový Most mit ihrem Café in 80 Metern Höhe drehen sich die Erinnerungen dreier Frauen aus drei Generationen der Familie Dinková. Unterschiedliche Perspektiven auf Geschichte durch Erinnerung wirft auch die dritte, jetzt in der Secession gezeigte Arbeit Rosenbergers. Hier ist es die Warschauer Nike, die von verschiedenen Seiten in schwarzweiß mit Kommentaren von PassantInnen versehen wird. Die Foto-Text-Serie zum Denkmal, das an den Sieg über Deutschland im Zweiten Weltkrieg erinnert, stellt ebenfalls die Frage nach Identität stiftenden Erinnerungen und ihren möglichen Verschiebungen in der und als Geschichte. Von der Schönheit handelt bestenfalls noch die Erinnerungsarbeit.
Mehr Texte von Jens Kastner

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Isa Rosenberger
05.07 - 07.09.2008

Secession
1010 Wien, Friedrichstrasse 12
Tel: +43 1 587 53 07, Fax: +43 1 587 53 07-34
Email: office@secession.at
http://www.secession.at
Öffnungszeiten: Di-So 14-18 h


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