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Fünf Stunden früher

Die Leserinnen und Leser von „Standard“ und „Kurier“ konnten die Information mit dem Frühstücksei löffeln. Wenn das nicht mundet, wo die andern erst beim Mittagessen dran sind! Dank schier übermenschlicher recherchetechnischer Anstrengungen von Seiten des „Standard“ und dank der guten Beziehungen des „Kurier“ konnte man also schon vorab erfahren, wer den Posten im Kunsthistorischen Museum bekommt. Bekanntgabe um dreizehn Uhr, Lektüre schon um acht. Fünf Stunden früher sind im Journalismus zehn Punkte extra. Nun hätte es womöglich auch gereicht, von der Bestellung einen halben Tag später in Kenntnis gesetzt zu werden. Die Nachricht von der neuen Chefin, deren Qualifikation der Frau Minister gegenüber darin bestand, einst eine rasante Führung hingelegt zu haben – was nichts über die neue Chefin sagt, aber doch etwas über die obrigkeitlichen Mechanismen –, war ja dann doch nicht derart von internationalem Belang, wie man per Annonce und Ausschreibung zunächst angab. Es war eine Hausberufung. Dem Popanz tat es, schließlich sind wir in Wien, keinen Abbruch. Fünf Stunden früher. Man fragt sich, wer den Unterschied überhaupt registriert. Die Chefredaktion zum einen, die morgens nichts anderes zu tun hat, als die Konkurrenz zu studieren. Typische Déformation professionelle. Und zum anderen die Caféhaus-Sitzer, die professionellen Weltnachrichten-Studierer, die mit dieser Art von Studium den Tag verdümpeln. Wenn die allerdings die ersten sind, kriegt es sonst keiner mit. Bekanntlich leben wir, Virilio hat es unermüdlich zum Besten gegeben, weniger in einer Demo- als in einer Dromokratie. Die Geschwindigkeit übt ihr unerbittliches Regiment aus, die Zukunft hält uns am Wickel, und seit einem Jahrhundert schon ist ein Rennwagen schöner als die Nike von Samothrake. Man weiß nicht wohin, aber allemal ist man schneller dort. Doch der wahre Grund für die fünf Stunden Intervall ist die Rivalität mit den Kollegen. Der Verfasser dieser Glosse war ja einst Redakteur einer Tageszeitung. Durch besonders ungestümes an Land Ziehen von Neuigkeiten hat er sich damals nicht hervorgetan. Einmal wusste ich etwas früher als die anderen, das war, als die beiden Kompagnons der Galerie Metropol sich trennten, irgendwann im vorigen Jahrtausend. Und einmal haben der Kollege Sottrifer und ich die Konkurrenz ausgetrickst. Die Pressekonferenz war für Freitag 14 Uhr angesetzt, irgendwo hinter Sankt Pölten, gerade so, dass eine Zeitung wie unsere beiden, die samstags, aber nicht sonntags erschienen, zu spät dran war. Sotriffer und ich aber, ganz unabhängig voneinander, ließen uns chauffieren, fabulierten auf der Rückfahrt unsere Texte zusammen, hämmerten sie in den Redaktionsschluss hinein und waren am Samstag brandaktuell. Fünf Stunden früher. Mindestens.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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