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The British Royal Collection: "Nur" hochklassige Bilder

Der Sohn erneuerte das Original, über 50 Jahre nach der Version des Vaters. Dafür muss man allerdings auf die viel bessere Malerei von Peter Brueghel dem Älteren verzichten: etwa Schnee und kahles Geäst in ihren feinen, winterlich fahlen Lichtdifferenzierungen. Der Sohn - Pieter Brueghel, der Jüngere - füllt fleißig die Fläche, allerdings sihouettenhaft und im Stile von Abziehbildern aus einem fiktiven Poesiealbum des frühen 17.Jahrhunderts. Viel spannender erscheint es indes, dass der originale „Bethlehemitische Kindermord“ des älteren Brueghel, der um 1565 entstand , vermutlich kurz vor 1620 auf Wunsch des Besitzers, Kaiser Rudolfs des II., visuell entschärft, ergo übermalt wurde: aus drastischem Kindermord in einem absurd flämisch-winterlichen Bethlehem wird eine Plünderungsszene aus den Religionskriegen. Die eigentliche Ur-Version, wird also nur durch eine Kopie des Sohns sichtbar. Kleine grausige Details, wie die ermordeten Kinder auf den Schößen ihrer klagenden Mütter, wurden nämlich auf dem Original übermalt: zu Stoffbündeln , zu Käsen und Schinken, zu leblosen Gänsen oder Schwänen, wo vorher schlaffe Kinderleichen an den Armen ihrer Eltern hingen. Das übermalte Quasi-Original stammt mit 50 anderen durchweg flämischen Altmeistern - von Memling bis Rubens und Van Dyck - aus der Königlichen Sammlung Ihrer Majestät Königin Elisabeth II. in London. Erstmals sind diese Bilder in ihren Entstehungsraum zurückgekehrt und werden derzeit im Königlichen Museum der Schönen Künste in Brüssel gezeigt, teils mit Werken aus belgischen Besitz in Korrespondenz gesetzt. Jenem Massaker der Unschuldigen wird etwa die „Volkszählung zu Bethlehem“ von Brueghel d.Ä. gegenübergestellt: abermals ein Beleg für das Realismus-Gespür des Künstlers, im 16.Jahrhundert das Daseins-Spektrum einfacher Menschen aufzufächern. Das gute Verhältnis der beiden Könighäuser aus London und Brüssel mag ein Grund sein für diese Leistungsschau an nicht zuletzt Qualitätsgespür englischer Monarchen hinsichtlich ihrer Ankäufe und der Aufträge an die großen Künstler zwischen Renaissance und Barock - angefangen bei Heinrich VII bis hin zu zwei seltenen Tizian-Kopien aus der Hand von David Teniers des Jüngeren. Doch auch bei den Leihgebühren soll die Queen dem Europa-orientierten Land auf der anderen Seite des Kanals sehr milde gewesen sein. Andererseits waren die Bilder bis zum Beginn derselben Ausstellung ab Herbst in der Queen’s Gallery des Buckingham Palace - und wegen der davor liegenden besucherintensiven Sommerphase der Wohnräume des Londoner Königshauses - bestens abkömmlich. Außerdem muss ein entsprechender „Trust“ seit einigen Jahren mit dem königlichen Bilder-Schatz Umsatz machen und selbstverantwortlich wirtschaften. Einen roten Faden bietet die Ausstellung nicht - es sind eben „nur“ extrem hochklassige Bilder versammelt - was nicht gerade wenig ist. In den Restaurations-Werkstätten von Schloss Windsor wurden die Werke optimal hergerichtet für ihren Wechsel aus dem repräsentativen Umfeld in das gleichsam kunsthistorisch ausgeleuchtete Ambiente eines Museums. Dies gilt etwa auch für einen Rubens-Vergleich: Ein Werk des jungen Rubens-Assistent Anthonis van Dyck, wird einem Jugendwerk des Meisters und einer frühen Arbeit Jacob Jordaens gegenübergestellt: die drei großen des Antwerpener Barocks. Auch pikante Geschichten zwischen Künstler und Königshäusern hält die Ausstellung bereit. So wusste Rubens nicht, dass eine 1621 nach London gelieferte Werkstattarbeit als Geschenk für Karl, Prince of Wales, bestimmt war. Rubens entschuldigte sich 1621 mit einem Selbstporträt, „geschaffen völlig und in allen Teilen von dessen eigener Hand“, wie ein Briefwechsel belegt. Fraglos auch eine Werbung in eigener Sache, mit der der Geschäftmann Rubens seine malerischen Qualitäten vollendet zum Ausdruck brachte. Selbst der dunkle felsige Hintergrund mit rötlichem Himmel - lateinisch „caelum rubens“ wird als feinsinniger Hinweis in eigener Sache bewertet.
Mehr Texte von Roland Groß

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The British Royal Collection
06.05 - 21.09.2008

Les Musées royaux des Beaux-Arts
1000 Brüssel, Rue de la Régence 3
Tel: +32 (0)2 508 33 33, Fax: +32 (0)2 508 32 32
http://www.expo-royalcollection.be


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